Das „Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohneigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie“ vom 27.03.2020 („C19-MaßnG“)in der Fassung vom 22.12.2020 (GesRuaCOVBekG) lässt eine rein virtuelle (ohne physische Präsenz der Aktionäre) Hauptversammlung einer AG zu.

Voraussetzungen

§ 1 Abs. 2 GesRuaCOVBekG nennt vier Voraussetzungen, unter denen eine virtuelle Hauptversammlung stattfinden kann. Sie betreffen

– die Bild- und Tonübertragung der HV,

– die (elektronische und durch Vertreter erfolgende) Stimmrechtsausübung,

– das (elektronische) Fragerecht und

– die Möglichkeit zum präsenzlosen Widerspruch.

Liegen alle Voraussetzungen vor, kann allein der Vorstand die Durchführung der virtuellen HV (stets nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats (§ 1 Abs. 4 GesRuaCOVBekG) anordnen.

Einberufungszuständigkeit

Die Berechtigung zur Einberufung einer virtuellen HV nach dem C19-MaßnG steht allein dem Vorstand zu.

Teilnahmemöglichkeiten an der Hauptversammlung

Die HV ist mit vollbesetztem Podium und Live-Zuschaltung von Aktionären, die alle herkömmlichen Aktionärsrechte in der Versammlung (va Teilnahme-, Rede-, Frage- und Antragsrecht) sowie das Stimmrecht im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben, möglich.

Zulässig ist aber auch z.B. die Durchführung der HV mit Mini-Besetzung und Beschränkungen der Aktionärsrechte auf eine zwei Tage vor der Versammlung endende Fragemöglichkeit und eine auf die Briefwahl beschränkte Abstimmungsmöglichkeit.

Das Mindestmaß der den Aktionären einzuräumenden Rechte ist in § 1 Abs. 2 GesRuaCOVBekG festgehalten, also

– das Fragerecht,

–  das Stimmrecht im Wege der er elektronischen Kommunikation und im Wege der Vollmachtserteilung und

– die Möglichkeit der Einlegung eines präsenzlosen Widerspruchs

Hinzu tritt das Recht nach § 134 Abs. 3 Satz 1 AktG auf Bevollmächtigung.

Die Stimmrecht kann

– im Wege der elektronischen Kommunikation nach § 118 Abs. 1 Satz 2 AktG (Teilnahme an der HV) oder

– in einer  „Briefwahl“ nach § 118 Abs. 2 AktG (keine Teilnahme an der HV)

  • schriftlich oder
  • im Wege elektronischer Kommunikation

ausgeübt werden.

Einberufung der virtuellen Hauptversammlung

Die Einberufung der HV muss nicht nur klarstellend die Art der HV angeben, sondern wie folgt:

„Die Hauptversammlung wird in Form der virtuellen Hauptversammlung nach Art. 2 § 1 Absatz 2 des „Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht, also ohne physische Präsenz der Aktionäre oder ihrer Bevollmächtigten, abgehalten.“

Der Ort der Hauptversammlung ist bei einer  virtuellen HV nicht anzugeben.

Der Zeitpunkt der Hauptversammlung ist anzugeben.

Wurde vom Vorstand eine HV ohne Teilnahme aller Aktionäre an der Versammlung angeordnet (§ 118 Abs. 2 AktG), bedarf es keiner Mitteilung der Voraussetzungen  für die Teilnahme an der HV. Es sind in der Einberufung lediglich die Voraussetzungen für die Ausübung des Stimmrechts und anderer Rechte in der Hauptversammlung zu beschreiben.

Für die Angaben zu den Rechten der Aktionäre in der präsenzlosen HV gilt Folgendes:

Die Aktionäre können im Vorfeld der Versammlung eine Ergänzung der Tagesordnung gem. § 122 Abs. 2 AktG verlangen. Bei Verkürzung der Einberufungsfrist kann auch von der verkürzten Frist für den Zugang von Ergänzungsanträgen gem.§ 1 Abs. 3 Satz 4 GesRuaCOVBekG Gebrauch gemacht werden.

Gegenanträge und Wahlvorschläge nach §§ 126 f. AktG werden in der virtuellen Hauptversammlung als auch in der HV gestellt behandelt, wenn sie der Aktiengesellschaft unter einer angegebenen Adresse bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zugegangen sind.

Ein Frage- und Auskunftsrecht in der HV nach § 131 AktG besteht in der präsenzlosen HV nicht. Es besteht aber im Vorfeld der HV die Möglichkeit, Fragen einzureichen. Es sollte in der Einberufung darauf hingewiesen werden, dass in der virtuellen Hauptversammlung kein entsprechendes Auskunftsrecht besteht, aber Fragemöglichkeiten nach § 1 II 1 Nr. 3, II 2 C19-MaßnG.

Mitwirkung bei der Hauptversammlung

An der präsenzlosen HV müssen teilnehmen

– für die erforderlichen Anordnungen der Versammlungsleiter, also Aufsichtsratsvorsitzender,

– der Vorstandsvorsitzende, um Fragen der Aktionäre zu beantworten,

– gegebenenfalls der Notar.

An der präsenzlosen HV sollten die weiteren Aufsichtsratsmitglieder, die weiteren Vorstände (§ 118 Abs. 3 AktG) und das technische Personal teilnehmen.

Aktionäre sind nicht berechtigt, vor Ort anwesend zu sein. Ausnahmen sind nicht gestattet.

Teilnehmerverzeichnis

Da es an einer Teilnahme der Aktionäre an der präsenzlosen Hauptversammlung fehlt, sind sie nicht in das Teilnahmeverzeichnis aufzunehmen.

Zugänglichmachung von Unterlagen in der Hauptversammlung

Den Aktionären sind eine Reihe von Unterlagen von der Einberufung an in den Geschäftsräumen zur Einsicht auszulegen und sodann in der Hauptversammlung zugänglich zu machen.

Vor und in der Hauptversammlung auszulegende Unterlagen können auf der Internetseite der Aktiengesellschaft ab Einberufung zugänglich gemacht werden. Die auf der Internetseite bereits veröffentlichten Dokumente müssen auch während der Dauer der Hauptversammlung weiter dort zugänglich sein, worauf in der Einberufung hingewiesen werden sollte.

Soweit keine elektronische Teilnahme an der virtuellen Hauptversammlung vorgesehen ist, besteht kein Recht der Aktionäre, Unterlagen in der Versammlung einzusehen und damit auch keine Pflicht der Aktiengesellschaft, Unterlagen zugänglich zu machen. In der Praxis sollten die Unterlagen gleichwohl während der Versammlung auf der Internetseite zugänglich sein.

Aktionärsfragen

Teilnehmende Aktionäre einer virtuellen Hauptversammlung können nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GesRuaCOVBekG ihre Fragen auf einem elektronischen Weg an die Verwaltung richten (elektronisches Fragerecht).

Andere Kommunikationswege können vom Vorstand zusätzlich erlaubt werden.

Der Vorstand kann nur solche Fragen zuzulassen, die mindestens zwei Tage vor der Hauptversammlung bei der Aktiengesellschaft eintreffen (§ 1 II 2 C19-MaßnG).

– Neben dms Recht auf Auskunft nach § 131 Abs. 1 und 2 AktG in der Präsenzversammlung (Teilnahme an Aussprache, Fragerecht und Anwortrecht) besteht in der virtuellen HV ab dem 28.02.2021 (GesRuaCOVBekG (BGBl. 2020, 3333 Art. 14) ein Fragerecht mit dem Recht auf Antwort. Der Vorstand entscheidet nach pflichtgemäßen freien Ermessen, wie er Fragen beantwortet, zum Beispiel schriftlich oder mündlich,§ 1 Abs. 2 Satz 2 GesRuaCOVBekG.

– Das Fragerecht muss Angelegenheiten der Gesellschaft betreffen und zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich sein.

– Die Aktiengesellschaft hat dem Aktionär nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GesRuaCOVBekG zumindest einen „Weg der elektronischen Kommunikation“ zur Verfügung zu stellen.  Die erforderliche Form der elektronischen Kommunikation ist gegeben, wenn der Aktionär seine Frage (im untechnischen Sinne) zum Beispiel „schriftlich“ formuliert und per E-Mail an die Gesellschaft übermitteln kann.

– Die Aktiengesellschaft kann nach  § 1 Abs. 2 Satz 2 GesRuaCOVBekG die Fragemöglichkeit der Aktionäre zeitlich auf „spätestens zwei Tage vor der Versammlung“ eingrenzen.

Bei der Berechnung zählt der Tag der Hauptversammlung selbst nicht mit; ein Feiertagsschutz besteht nicht. Der letztmögliche Tag der Frageneinreichung zählt auch nicht mit. Zwischen Hauptversammlung und Frageneinreichung müssen zwei volle Tage liegen.

Beispiel: Findet die Hauptversammlung am Dienstag, den 19.5.2020 statt, endet die Möglichkeit zur Einreichung von Fragen bei Ausnutzung der vollen 2-Tages-Frist am Samstag, den 16.5.2020, 24:00 Uhr.

– Fragen der Aktionäre können abermals zeitlich wie folgt beschränkt werden:

„Fragen der Aktionäre sind frühestens zehn Tage vor der Versammlung, d.h. ab 21.09.2020, bis spätestens zwei Tage vor der Versammlung, d.h. bis spätestens 29.09.2020, per E-Mail unter post@unternehmen.de einzureichen.“

Abstimmung

Die Abstimmung findet bei einer virtuellen Versammlung außerhalb der HV statt.

§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GesRuaCOVBekG verlangt für eine virtuelle Hauptversammlung, dass die Stimmrechtsausübung der Aktionäre „über elektronische Kommunikation (Briefwahl oder elektronische Teilnahme) sowie Vollmachtserteilung“ möglich ist.

– Zur Vollmachterteilung genügt Textform neben Schriftform und Fax aber auch E-Mail als elektronische Kommunikationsform.

– Unklar ist, ob zusätzlich eine analog Briefwahl zugelassen ist. § 1 Abs. 1 GesRuaCOVBekG als auch § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GesRuaCOVBekG erfassen nur „elektronischen Kommunikation“ für die Briefwahl.

Lässt die Satzung eine Briefwahl nach § 118 Abs. 2 AktG zu, ist auch eine „analoge“ Briefwahl“ möglich.

Sieht die Satzung eine Briefwahl nicht vor, könnte man § 1 I C19-MaßnG so verstehen, dass mangels Satzungsermächtigung alleine die elektronische Briefwahl erlaubt ist.

– Eine zeitliche Einschränkung der Stimmenabgabe durch Briefwahl (vor dem Tag der virtuellen Hauptversammlung oder dem Beginn der Abstimmung) ist eine unzulässige Beschränkung der Rechte des Aktionärs. Die Abgabe, Änderung oder der Widerruf von Briefwahlstimmen muss bis in die Versammlung angeboten werden. 

Die Festlegung eines spätesten Eingangszeitpunkts für die Übermittlung der Briefwahlstimmen auf einzelnen Wegen ist möglich.

– Der Versammlungsleiter legt die Wahl des Auszählungsverfahrens und die Auszählung der Stimmen fest.

Gebräuchlichen Formen der Auszählung sind das Additionsverfahren und das Subtraktionsverfahren. Bei Anwendung des Subtraktionsverfahrens ist eine zuverlässige Feststellung der Abstimmenden erforderlich.

Im Falle der Online-Teilnahme von Aktionären ist in der Praxis eine auch nur annähernd zuverlässige Präsenzfeststellung nicht möglich. Selbst zugeschaltete Aktionäre können sich für die Dauer der Abstimmung physisch von ihren PCs entfernen. Es sollte daher auf das zuverlässigere, wenn auch unter Umständen etwas länger dauernde, Additionsverfahren zurückgegriffen werden.

Widerspruch zu Protokoll

§ 1 II 1 Nr. 4 C19-MaßnG macht zur Voraussetzung für die Durchführung einer virtuellen Hauptversammlung, dass „den Aktionären […] unter Verzicht auf das Erfordernis eines Erscheinens in der Hauptversammlung eine Möglichkeit zum Widerspruch gegen einen Beschluss der Hauptversammlung eingeräumt wird.“

Das C19-MaßnG beschränkt diese Möglichkeit auf die Aktionäre, die ihr Stimmrecht  über elektronische Kommunikation (Briefwahl oder elektronische Teilnahme sowie Vollmachtserteilung) ausgeübt haben.

Die Aktiengesellschaft sollte für die Widerspruchseinlegung einen gesonderten elektronischen Kommunikationsweg (z.B. einen E-Mail-Kanal) zur Verfügung stellen, um innerhalb der HV Zeit zu sparen.

Der Widerspruch ist jederzeit bis zum Ende der Versammlung zu erklären (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GesRuaCOVBekG).

Zustimmung des Aufsichtsrats

Die Durchführung einer virtuellen Hauptversammlung nach dem GesRuaCOVBekG kann die Rechte der Aktionäre stark einschränken. Dehalb erhält der Aufsichtsrat eine Missbrauchskontrollfunktion. Gemäß § 1 Abs. 6 GesRuaCOVBekG muss der Aufsichtsrat seine Zustimmung zu sämtlichen im Notfallgesetz enthaltenen Maßnahmen (§ 1 Abs. 1- 5 GesRuaCOVBekG) erklären. Dazu gehören unter anderem

– die Inanspruchnahme der Online-Teilnahme,

– Briefwahl und Bild- und Tonübertragung auch ohne Satzungsermächtigung,

– die Durchführung einer präsenzlosen virtuellen Hauptversammlung und

– die Umsetzung der Fragemöglichkeit.

Die Beschlussfassung des Aufsichtsrats hat vor Durchführung der Maßnahmen mittels Veröffentlichung der Einberufung zu erfolgen.

Einschränkungen der Beschlussanfechtung

Nach § 1 Abs. 7 GesRuaCOVBekG sind Anfechtungen von Hauptversammlungsbeschlüssen der Aktiengesellschaft eingeschränkt.

Solche Anfechtungen können nicht auf Verletzungen

es sei denn, der Gesellschaft ist Vorsatz nachzuweisen.

Die Regelung in § 243 Absatz 3 Nummer 1 AktG schränkt das Anfechtungsrecht darüber hinaus ein.

Thüringen, Januar 2021

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