Schenkungssteuer Werterhöhung durch disquotale Einlagen
Wann werden disquotale Einlagen zur Schenkung?
Unternehmer und Gesellschafter einer GmbH sollten bei bestimmten gesellschaftsrechtlichen Vorgängen wachsam sein: Nicht jede Kapitaleinlage ist harmlos – unter Umständen kann eine steuerpflichtige Schenkung vorliegen. Jüngst hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass der Verzicht eines GmbH-Gesellschafters auf eine Ausgleichszahlung im Rahmen einer disquotalen Kapitalerhöhung (also einer Erhöhung, an der nicht alle Gesellschafter proportional teilnehmen) zu einer Schenkung zugunsten der Mitgesellschafter führen kann. Im Folgenden erklären wir ohne juristisches Kauderwelsch, worauf Sie dabei achten müssen.
Wann liegt eine schenkungsteuerpflichtige Zuwendung vor?
Die Schenkungsteuer greift immer dann, wenn jemand einen anderen unentgeltlich bereichert – mit anderen Worten: Eine freigebige Zuwendung unter Lebenden wird als Schenkung besteuert, soweit der Empfänger auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Entscheidend ist, dass kein angemessener Gegenwert fließt. Es spielt keine Rolle, ob das Wort „Schenkung“ fällt oder ob die Beteiligten bewusst an eine Schenkung denken – maßgeblich ist der objektive Werttransfer. Wenn Sie also einem Mitgesellschafter einen Vermögensvorteil zukommen lassen, ohne etwas Gleichwertiges zurückzubekommen, liegt in den Augen des Fiskus eine Schenkung vor.
Unterschied zwischen § 7 Abs. 1 Nr. 1 und § 7 Abs. 8 ErbStG
Das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) kennt verschiedene Schenkungstatbestände. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ist der allgemeine Grundtatbestand: Er erfasst die klassische freigebige Zuwendung, also die direkte Schenkung von einem Menschen an einen anderen. Hier prüft man zivilrechtlich, wer wem etwas zuwendet und ob es unentgeltlich erfolgt. § 7 Abs. 8 ErbStG hingegen wurde eingeführt, um Wertverschiebungen innerhalb von Kapitalgesellschaften zu erfassen, die früher durch die Rechtsform „GmbH“ oder „AG“ nicht als Schenkung galten.
Nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG gilt nämlich auch die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft als Schenkung, wenn eine daran beteiligte Person diesen Wertzuwachs dadurch erlangt, dass eine andere Person eine Leistung an die Gesellschaft erbringt. Einfach gesagt: Bringt ein Gesellschafter zusätzliches Vermögen in die GmbH ein und dadurch steigt der Wert der Anteile der anderen Gesellschafter, wird dieser Wertzuwachs wie eine Schenkung behandelt. Im Gegensatz zur normalen Schenkung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 kommt es bei § 7 Abs. 8 nicht auf eine Schenkungsabsicht oder subjektive Freigebigkeit an. Der Gesetzgeber fingiert hier eine Schenkung allein aufgrund des objektiven Ergebnisses – nämlich der unentgeltlichen Wertsteigerung bei den Mitgesellschaftern – selbst wenn dem Einzahlenden gar nicht bewusst war, dass er anderen etwas „schenkt“.
Disquotale Einlage: Nicht automatisch eine Schenkung
Bedeutet nun jede disquotale Einlage – also eine Einlage, die nicht entsprechend den bisherigen Beteiligungsquoten erfolgt – zwangsläufig Schenkungsteuer? Nein, nicht automatisch. Entscheidend ist, ob ein Mitgesellschafter ohne eigene Gegenleistung bereichert wird. Zahlt ein Gesellschafter zwar überproportional ein, erhält dafür jedoch entsprechende neue Geschäftsanteile oder wird sein Beitrag individuell zugeordnet, liegt zunächst keine Bereicherung der anderen vor. In solchen Fällen dient die Leistung dem Gesellschaftszweck (causa societatis) und ist nicht als freigebige Zuwendung anzusehen. Mit anderen Worten: Solange der einbringende Gesellschafter für seinen Mehrbeitrag auch den vollen wirtschaftlichen Wert in Form von Anteilen oder Rechten erhält, fehlt es an einer unentgeltlichen Vermögensverschiebung zu Gunsten der anderen.
Beispiel: Bei einer Kapitalerhöhung nutzen alle Gesellschafter ihr Bezugsrecht und stocken entsprechend ihrer bisherigen Quote auf. Hier zahlt zwar jemand vielleicht absolut mehr ein als ein anderer, aber jeder behält seinen Anteil am Kuchen – es findet keine Verschiebung statt, die als Schenkung gewertet werden könnte. Anders ist es jedoch, wenn einzelne Gesellschafter freiwillig auf solche Rechte oder auf einen Ausgleich verzichten.
Verzicht auf Ausgleichsforderung – wann entsteht eine Schenkung?
Der kritische Punkt kommt, wenn ein Gesellschafter eigentlich einen Anspruch auf Wertausgleich hätte, diesen aber nicht (vollständig) geltend macht. Genau das war Kern der BFH-Entscheidung: In dem entschiedenen Fall hatte ein Vater über Jahre erhebliche Einlagen in die GmbH geleistet, die zunächst auf sein persönliches Kapitalrücklagenkonto verbucht wurden. Bei einer späteren Kapitalerhöhung machten nur die Söhne mit – der Vater ließ sich zwar einen Teil seines dadurch entstandenen Wertverlusts ausgleichen, verzichtete aber auf den vollen Ausgleich. Die Folge: Durch den Verzicht wurde die zuvor allein dem Vater zustehende Kapitalrücklage plötzlich allen Gesellschaftern zu gleichen Teilen zugerechnet, obwohl die Söhne daran keinen Beitrag geleistet hatten.
Dadurch waren die Söhne um rund 1,1 Millionen € reicher, ohne dafür gezahlt zu haben – ihr Wertzuwachs resultierte einzig daraus, dass der Vater auf einen Teil seines Ausgleichsanspruchs freiwillig verzichtet hat. Der BFH stellte klar, dass hierin eine Schenkung des Vaters an die beiden Mitgesellschafter liegt. Alle Voraussetzungen der Schenkungsteuer waren erfüllt: Das Vermögen des Vaters war durch die neue Verteilung der Anteile und Rücklagen entsprechend gemindert, während die Söhne einen Vermögensvorteil erhielten. Entscheidend: Der Vater handelte freiwillig und wusste, dass sein Verzicht die Söhne begünstigen würde – die Unentgeltlichkeit war also offenkundig. In so einem Fall fällt Schenkungsteuer an, bemessen am Wert der unentgeltlich übertragenen Bereicherung (hier je ca. 1,1 Mio. € pro Sohn).
Praxis-Tipps: Worauf sollten Unternehmer und Berater achten?
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Kapitalerhöhungen sorgfältig planen: Wenn nicht alle Gesellschafter im gleichen Verhältnis einzahlen, prüfen Sie, ob dadurch bestimmte Anteile an Wert gewinnen. Stellen Sie sicher, dass nicht teilnehmende Gesellschafter entweder einen Ausgleich erhalten oder auf andere Weise keine unentgeltliche Wertsteigerung erfahren. Andernfalls lauert die Schenkungsteuer.
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Ausgleichsansprüche vertraglich regeln: Bei disquotalen Einlagen sollte im Gesellschaftsvertrag oder Gesellschafterbeschluss festgelegt werden, wie eventuelle Wertverschiebungen ausgeglichen werden. Gibt es eine Ausgleichsvereinbarung, sollte diese den vollen Wertverlust des benachteiligten Gesellschafters abdecken. Ein teilweiser oder kompletter Verzicht auf Ausgleichsansprüche durch einen Gesellschafter wird steuerlich als Schenkung betrachtet – planen Sie dies nur bewusst ein, falls eine gewollte Vermögensübertragung stattfinden soll.
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Steuerliche Freibeträge und Verwandtschaftsverhältnis beachten: Falls eine Wertverschiebung beabsichtigt ist (z. B. Vater begünstigt Kinder als Mitgesellschafter), nutzen Sie die Freibeträge im Schenkungsteuerrecht. Innerhalb der Familie stehen oft höhere Freibeträge zur Verfügung (z. B. 400.000 € zwischen Eltern und Kindern), während bei gesellschaftsfremden Dritten nur 20.000 € freibleiben. Unbeabsichtigte Schenkungen zwischen nicht verwandten Mitgesellschaftern sind besonders teuer, da bereits geringe Vermögensvorteile zu steuerpflichtigen Schenkungen führen können.
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Frühzeitige Beratung in Anspruch nehmen: Die Materie ist komplex. Konsultieren Sie rechtzeitig Ihren Steuerberater oder Rechtsanwalt, bevor Sie disquotale Einlagen, selektive Kapitalerhöhungen oder ähnliche Maßnahmen durchführen. So können Sie Gestaltungen wählen, die keine unerwünschten Schenkungsteuereffekte auslösen, oder – falls eine gewollte Vermögensübertragung stattfinden soll – diese optimal in Einklang mit den gesetzlichen Regelungen und Freibeträgen strukturieren.
Fazit: Kapitalmaßnahmen in der GmbH wie disquotale Einlagen oder ungleichmäßige Kapitalerhöhungen können steuerliche Tücken bergen. Eine Schenkungsteuerpflicht lässt sich jedoch in vielen Fällen vermeiden, wenn man die Spielregeln kennt: Wichtig ist, Wertverschiebungen ohne Gegenleistung zu erkennen und zu vermeiden. Mit guter Planung und Beratung können Unternehmer sicherstellen, dass keine versteckte Schenkungsteuerfalle zuschnappt – und falls doch eine gewollte Vermögensübertragung stattfinden soll, dass diese steuerlich optimal gestaltet wird.
Hinweis:
Weitere Abhandlungen zur Schenkungssteuer finden sich
zur Zeichnung von Geschaftsanteilen in einer Genossenschaft,
zum Ausschluss aus der Genossenschaft,
zum BFH, Urteil com 10. April 2024 – II R 22/21,
zu Werterhöhung von Genossenschaftsanteilen und
zu Vorstandshaftung .