Prüfungsbericht bei Verstoß gegen den Förderzweck

Hintergrund eines hier zu beschreibenden Fall

In einer landwirtschaftlichen eingetragenen Genossenschaft (eG) wurde 2023 eine Satzungsänderung beschlossen, durch die der freie Handel mit Genossenschaftsanteilen stark eingeschränkt wurde. In enteignungsgleicher Weise wurde so verhindert, dass vor allem ältere, nicht mehr aktive Mitglieder den vollen Verkehrswert ihrer Geschäftsanteile realisieren können. Mitglieder, die keine Pachtverhältnisse mehr mit der eG haben, müssen laut neuer Satzung ausscheiden und erhalten nur eine Abfindung zum Nennwert (§ 73 Abs. 2 S. 2 GenG). Statt ca. 400.000 € Verkehrswert pro Anteil erhalten ausscheidende Mitglieder lediglich z. B. 3.000 € ausgezahlt; die Differenz von rund 397.000 € wächst dem Vermögen der verbleibenden Genossen an. Diese Vorgehensweise dient offenkundig dem Zweck, die Genossenschaft von älteren Mitgliedern zu „bereinigen“ und den hohen inneren Wert der eG auf wenige verbleibende Mitglieder zu konzentrieren. Eine Aufklärung der Mitglieder über diese Folgen fand nicht statt.

Im Folgenden werden die rechtlichen Möglichkeiten erörtert, den nächsten Prüfungsbericht des Prüfungsverbands erfolgreich anzufechten bzw. die Satzungsänderung rückgängig zu machen, falls der Prüfungsverband die beschriebenen Verstöße gegen den Förderzweck (§ 1 GenG) nicht beanstandet. Dabei werden einschlägige Normen des Genossenschaftsgesetzes (GenG), des BGB sowie aktuelle Rechtsprechung berücksichtigt.

1. Rechtsnatur und Anfechtbarkeit des Prüfungsberichts

Der Prüfungsbericht des genossenschaftlichen Prüfungsverbands ist das Ergebnis der gesetzlich vorgeschriebenen regelmäßigen Prüfung gemäß §§ 53 ff. GenG. Er ist kein Beschluss der Genossenschaft selbst, sondern ein Gutachten bzw. Bericht, den der Verband nach Abschluss der Prüfung erstellen muss. Der Bericht ist schriftlich abzufassen und hat sich insbesondere dazu zu äußern, ob und auf welche Weise die Genossenschaft im Prüfungszeitraum einen zulässigen Förderzweck verfolgt hat. Dies ist gesetzlich vorgeschrieben (§ 58 Abs. 1 S. 3 GenG) und soll sicherstellen, dass die eG den in § 1 GenG definierten Zweck – nämlich die Förderung der Mitglieder – tatsächlich erfüllt. Der Prüfungsbericht wird an Vorstand und Aufsichtsratsvorsitzenden übergeben und in der nächsten Generalversammlung erörtert (§ 59 Abs. 1 GenG); jedes Mitglied hat das Recht, zumindest das zusammengefasste Ergebnis des Berichts einzusehen.

Rechtsnatur: Bei dem Prüfungsbericht handelt es sich weder um einen Verwaltungsakt noch um einen Beschluss der Generalversammlung, sondern um einen fachkundigen Kontroll- und Beratungsbericht. Er hat zwar erhebliches Gewicht für die interne Willensbildung und dient der Kontrolle der Geschäftsführung, ist aber rechtlich kein unmittelbar anfechtbarer Akt durch Mitglieder im selben Sinne wie ein Beschluss der Genossenschaft. Es gibt keine spezielle Klageart im Genossenschaftsrecht, mit der ein Mitglied den Prüfungsbericht als solchen vor Gericht “anfechten” könnte. Insbesondere findet § 51 GenG (Anfechtung von Generalversammlungsbeschlüssen) hier keine direkte Anwendung, da der Prüfungsbericht kein Beschluss der Generalversammlung ist.

Anfechtbarkeit und Umgang mit Mängeln: Gleichwohl stehen den Mitgliedern mittelbar Möglichkeiten offen, auf einen fehlerhaften oder unvollständigen Prüfungsbericht zu reagieren. So können Mitglieder in der Generalversammlung Rügen oder Widersprüche zu Protokoll geben, falls der Bericht aus ihrer Sicht gravierende Mängel aufweist oder offensichtliche Gesetzesverstöße unerwähnt lässt. Insbesondere wenn der Prüfungsverband einen klaren Verstoß gegen den Förderzweck (§ 1 GenG) übergeht, kann dies zum Thema in der Versammlung gemacht werden. Die Mitglieder könnten beispielsweise die Entlastung des Vorstands verweigern oder weitere Aufklärungsprüfungen verlangen. Zudem besteht die Möglichkeit, den Aufsichtsrat einzuschalten, der seinerseits den Bericht kritisch würdigen und gegebenenfalls Maßnahmen anstoßen muss.

Ein direktes gerichtliches “Anfechten” des Berichts kommt allenfalls in Form einer Feststellungsklage in Betracht, nämlich z. B. auf Feststellung, dass der Bericht bestimmte Feststellungen (etwa zur Rechtswidrigkeit der Satzungsänderung) zu Unrecht nicht enthält. Ein solcher Weg wäre jedoch ungewöhnlich und prozessual anspruchsvoll, da der Prüfungsbericht als solcher keine unmittelbar verbindliche Rechtswirkung gegenüber den Mitgliedern entfaltet. Praktischer sind daher die unten erläuterten Schritte – etwa die Anfechtung der Satzungsänderung selbst oder das Einschalten von Aufsichtsstellen – um die Konsequenzen eines unzureichenden Prüfungsberichts zu korrigieren.

2. Pflichtverletzungen des Prüfungsverbands

Der genossenschaftliche Prüfungsverband hat eine gesetzliche Doppelrolle: Er fungiert als Kontrolleur der Genossenschaft und zugleich als Berater (vgl. § 54 GenG). Seine Kernpflicht ist die gewissenhafte und unparteiische Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse und der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung (§ 62 Abs. 1 S. 1 GenG). Dazu gehört ausdrücklich die Prüfung, ob die eG den Mitgliederförderzweck erfüllt (§ 53 Abs. 1 i.V.m. § 58 Abs. 1 GenG). Im vorliegenden Fall bestehen erhebliche Zweifel, ob der Prüfungsverband diesen Pflichten nachgekommen ist:

  • Unparteilichkeit und Unabhängigkeit: Aus § 62 Abs. 1 GenG folgt, dass der Verband neutral und unabhängig prüfen muss. Hier hat jedoch ein Verbandsjurist offenbar bei der Vorbereitung der Satzungsänderung mitgewirkt und mit dem Vorstand kollusiv zusammengewirkt. Ein solches Vorgehen gefährdet die Unabhängigkeit. Tatsächlich schließt § 55 Abs. 2 GenG Personen von der Prüfungsdurchführung aus, die in dem zu prüfenden Geschäftsjahr für die Genossenschaft tätig waren (z. B. bei der Buchführung oder Rechtsberatung) – genau dies scheint hier der Fall zu sein. Die Kooperation des Prüfungsverbands mit dem Vorstand bei einer maßgeblichen Satzungsänderung stellt einen Interessenkonflikt dar und untergräbt die erforderliche Neutralität des Prüfungsorgans.

  • Verstoß gegen Prüfpflichten: Der Prüfungsverband hätte die satzungswidrigen bzw. gesetzeswidrigen Maßnahmen beanstanden müssen. Die Satzungsänderung bewirkt offensichtlich einen Verstoß gegen den Förderzweck und gegen elementare Mitgliederrechte (wirtschaftliche Entwertung der Anteile der ausscheidenden Mitglieder). Dies stellt keine ordnungsgemäße Geschäftsführung dar, sondern einen schweren Pflichtverstoß des Vorstands. Wenn der Prüfungsverband in seinem Bericht diese Vorgänge nicht als Mangel feststellt oder keine Korrektur fordert, verletzt er seine gesetzliche Prüfpflicht aus § 53 Abs. 1 GenG in gravierender Weise. Nach einem kritischen Fachbeitrag ist eine satzungswidrige und mit dem Förderzweck unvereinbare Geschäftsführung eindeutig als solche zu rügen (siehe genonachrichten.de) – unterbleibt dies, liegt eine Pflichtverletzung des Prüfungsverbands vor.

  • Haftung des Prüfungsverbands: Verletzt der Verband vorsätzlich oder fahrlässig seine Pflichten, so haftet er der Genossenschaft für den daraus entstehenden Schaden (§ 62 Abs. 1 S. 3 GenG). Vorliegend ist der Genossenschaft bereits ein erheblicher Schaden entstanden bzw. droht zu entstehen – etwa in Form von Rechtsstreitigkeiten, Wertminderungen des Mitgliedskapitals und dem Vertrauensverlust. Der Prüfungsverband wäre gegenüber der eG zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er die rechtswidrige Satzungsänderung kannte oder hätte erkennen müssen und dennoch keine Beanstandung erfolgte (siehe genonachrichten.de. Unmittelbar gegenüber einzelnen Mitgliedern besteht ein solcher Anspruch zwar grundsätzlich nicht, da der Schutz des § 62 GenG primär der Genossenschaft als Ganzes gilt (siehe genonachrichten.de. Allerdings kommt bei vorsätzlichem Zusammenwirken mit dem Vorstand – etwa als Beihilfe zu einer möglichen Untreue (§ 266 StGB) – auch eine deliktische Haftung gegenüber den geschädigten Mitgliedern in Betracht (z. B. aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. einem Schutzgesetz wie § 266 StGB oder aus § 826 BGB bei sittenwidriger Schädigung) (siehe genonachrichten.de.

Zusammengefasst hat der Prüfungsverband hier durch Unterlassen der gebotenen Beanstandungen und durch vorherige Mitwirkung an den beanstandungswürdigen Maßnahmen seine Pflichten verletzt. Er hat damit sowohl gegen das Genossenschaftsgesetz (insb. §§ 53, 58, 62 GenG) als auch gegen die ihm obliegende Treuepflicht gegenüber der Genossenschaft und ihren Mitgliedern verstoßen. Dies wiegt umso schwerer, als der Verband eigentlich die Interessen aller Mitglieder schützen soll und gerade nicht zum Erfüllungsgehilfen eigennütziger Vorstandsinteressen werden dar.

3. Beanstandung oder Rücknahme der Satzungsänderung

Angesichts der aufgezeigten Rechtsverstöße stellt sich die Frage, wie die umstrittene Satzungsänderung rückgängig gemacht oder für unwirksam erklärt werden kann. Grundsätzlich gibt es dafür zwei Ansätze: (a) die Beanstandung und Korrektur innerhalb der genossenschaftlichen Organisation (durch Prüfungsverband oder neue Beschlüsse) und (b) die gerichtliche Anfechtung bzw. Feststellung der Unwirksamkeit des Beschlusses.

  • Beanstandung durch den Prüfungsverband: Idealerweise hätte bereits der Prüfungsverband im Prüfungsbericht die Satzungsänderung beanstandet und ihre Rücknahme verlangt. Der Verband ist befugt und verpflichtet, auf gesetzwidrige Satzungsregelungen hinzuweisen und Abhilfe zu fordern. Gemäß den Grundsätzen der genossenschaftlichen Prüfung müsste der nächste Prüfungsbericht klar herausstellen, dass die beschlossene Satzungsänderung gegen den Förderzweck verstößt und somit unzulässig ist. In gravierenden Fällen kann der Prüfungsverband auflagen erteilen oder sogar eine Sonderprüfung anordnen sowie personelle Konsequenzen empfehlen. Sollte der Verband dies versäumen, fehlt eine wichtige interne Korrekturmöglichkeit. In dem Fall könnten die Mitglieder das Thema aber in der Generalversammlung auf die Tagesordnung setzen und eine Beschlussfassung über die Rückgängigmachung der Satzungsänderung verlangen.

  • Rücknahme durch neuen Beschluss: Die Genossenschaft kann die Satzungsänderung jederzeit durch einen weiteren Beschluss der Generalversammlung aufheben oder abändern (§ 16 GenG). Dazu wäre in der Regel dieselbe qualifizierte Mehrheit erforderlich, die auch für die Änderung galt (oft ¾-Mehrheit, vgl. § 16 Abs. 2 GenG). Hier wurde durch die Änderung faktisch der Anspruch der Mitglieder auf ihr Auseinandersetzungsguthaben beschränkt – eine solche Einschränkung des Auszahlungsanspruchs bedarf nach Gesetz sogar ausdrücklich einer ¾-Mehrheit. Die Chancen für einen Aufhebungsbeschluss hängen daher von der Mehrheitsverteilung in der Genossenschaft ab. Da vorliegend die begünstigten (verbleibenden) Mitglieder ein eigenes Interesse an der Beibehaltung der Klausel haben, dürfte ein freiwilliger Rücknahmebeschluss schwer zu erreichen sein, sofern die betroffenen (ausscheidenden) Mitglieder in der Minderheit sind.

  • Anfechtungsklage nach § 51 GenG: Sollte die Satzungsänderung kürzlich beschlossen worden sein (innerhalb des letzten Monats), kommt eine Anfechtungsklage in Betracht. Gemäß § 51 Abs. 1 GenG kann jeder Generalversammlungsbeschluss, der gegen Gesetz oder Satzung verstößt, mittels Klage angefochten werden. Hier lägen mehrere Anfechtungsgründe vor: materiell verstößt der Beschluss gegen das Genossenschaftsgesetz (§ 1 GenG Förderzweck) und gegen die mitgliedschaftliche Treuepflicht bzw. den Gleichbehandlungsgrundsatz, da eine Gruppe von Mitgliedern ohne sachlichen Grund massiv benachteiligt wird. Auch eine Verletzung von Verfahrensvorschriften ist ersichtlich, da die Mitglieder vor der Abstimmung nicht ausreichend aufgeklärt wurden über die wirtschaftlichen Konsequenzen. Diese Informationspflichtverletzung kann als Gesetzesverstoß (Verstoß gegen § 242 BGB – Grundsatz von Treu und Glauben – i.V.m. dem vereinsrechtlichen Beschlussmängelrecht) gewertet werden. Für die Anfechtungsklage müsste ein benachteiligtes Mitglied, das bei der Versammlung anwesend war, Widerspruch zu Protokoll gegeben haben (§ 51 Abs. 2 GenG) – oder nachweisen, unberechtigt von der Teilnahme ausgeschlossen gewesen zu sein. Die Klagefrist beträgt einen Monat ab Beschlussfassung. Wird die Klage frist- und formgerecht erhoben, prüft das Landgericht den Beschluss auf Rechtsverstöße und kann ihn für unwirksam erklären.

  • Nichtigkeit der Satzungsänderung: Unabhängig von einer fristgebundenen Anfechtung kann ein Beschluss auch nichtig (von Anfang an unwirksam) sein, falls besonders schwerwiegende Verstöße vorliegen (§ 51 Abs. 3 GenG i.V.m. aktienrechtlichen Grundsätzen). Nichtig wären z. B. Beschlüsse, die gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) oder gegen zwingendes Gesetzesrecht (§ 134 BGB) verstoßen. Im vorliegenden Fall kommt eine Nichtigkeit in Betracht, da der Beschluss wesentliche Grundprinzipien des Genossenschaftsrechts aushöhlt. Die Maßnahme läuft dem Förderzweck diametral entgegen und bedeutet eine faktische Enteignung der Altmitglieder. Juristische Kommentatoren halten eine derart weitreichende Vermögensbeschneidung einzelner Genossen für sittenwidrig und nichtig, zumal hier eigennützige Motive des Vorstands/Prüfungsverbands vorliegen. Sollte ein Gericht dieser Argumentation folgen, könnte die Nichtigkeit auch noch Jahre später geltend gemacht werden. In der Praxis würde dies z. B. im Rahmen einer Feststellungsklage passieren, um gerichtlich feststellen zu lassen, dass die entsprechende Satzungsklausel unwirksam ist. Nichtigkeitsgründe sind jedoch eng auszulegen; die Gerichte prüfen genau, ob wirklich ein fundamentaler Verstoß vorliegt, der die Satzungsänderung ipso iure unwirksam macht, oder ob nicht doch die Anfechtung (mit Fristbindung) der richtige Weg gewesen wäre.

Zusammenfassend bestehen gute Argumente dafür, dass die Satzungsänderung wegen Verstoßes gegen den Förderzweck und gravierender Verletzung von Mitgliederrechten rückgängig gemacht werden muss. Die optimale Vorgehensweise wäre eine Kombination aus: innergenossenschaftlichem Druck (über Generalversammlung und Prüfungsverband) und – falls nötig – gerichtlicher Geltendmachung (Anfechtung oder Feststellungsklage). Dabei ist Eile geboten, um Fristen für Anfechtungen nicht verstreichen zu lassen.

4. Vorgehensweise der benachteiligten Genossenschaftsmitglieder

Einzelne betroffene Mitglieder  haben mehrere Handlungsoptionen, um ihre Rechte zu wahren und die missbräuchliche Satzungsänderung anzufechten bzw. deren Folgen abzumildern:

  • Anfechtungsklage erheben: Wie oben dargestellt, sollten benachteiligte Mitglieder unverzüglich eine Anfechtungsklage nach § 51 GenG einreichen, sofern die Monatsfrist noch läuft. Die Klage kann auf Verletzung des GenG (§ 1 Förderzweck, § 58 Prüfungswesen), der Satzung sowie allgemeiner Rechtsgrundsätze (Treu und Glauben, Gleichbehandlung) gestützt werden. Durch eine erfolgreiche Klage würde das Gericht den Beschluss aufheben und damit die Satzungsänderung unwirksam machen.

  • Feststellungsklage auf Nichtigkeit: Falls die Anfechtungsfrist versäumt ist oder man von vornherein von der Nichtigkeit des Beschlusses ausgeht, können Mitglieder eine Feststellungsklage anstrengen, um gerichtlich feststellen zu lassen, dass die Satzungsänderung nichtig ist. Dabei würden die oben genannten gravierenden Verstöße (Verstoß gegen § 1 GenG, Art. 14 GG als verfassungsrechtlische Wertentscheidung zum Eigentumsschutz, Arglist bzw. Sittenwidrigkeit) geltend gemacht. Die hier geschilderten Umstände – nämlich dass Mitglieder um den Wert ihrer Anteile gebracht werden – untermauern die Sittenwidrigkeit deutlich.

  • Mitgliederversammlung nutzen: Unabhängig von gerichtlichen Schritten sollten die Mitglieder innerhalb der Genossenschaft aktiv werden. Sie können gemäß § 45 GenG (bzw. analog § 50 BGB für Vereine) von Vorstand/Aufsichtsrat die Einberufung einer außerordentlichen Generalversammlung verlangen, sofern eine ausreichend große Minderheit dies unterstützt (häufig 1/10 der Mitglieder). In der Versammlung können sie Anträge stellen, z. B. auf Abberufung des Vorstands (bei grober Pflichtverletzung, § 34 GenG), auf Änderung der Satzung (Rücknahme der schädlichen Klausel) oder auf Aufklärung durch den Prüfungsverband. Auch die Wahl neuer Aufsichtsratsmitglieder oder anderer Vertreter, die die Interessen der Altmitglieder vertreten, kann angestrebt werden, um den internen Kurs der Genossenschaft zu ändern.

  • Keine Entlastung erteilen: Die benachteiligten Mitglieder sollten erwägen, dem amtierenden Vorstand und ggf. dem Aufsichtsrat die Entlastung zu verweigern, solange die Angelegenheit nicht bereinigt ist. Die Entlastung wird in Genossenschaften zwar nicht wie bei Aktiengesellschaften gesetzlich vorgeschrieben, ist aber üblich. Eine Verweigerung der Entlastung hätte Signalwirkung und könnte Haftungsansprüche erleichtern, da keine Billigung des Handelns ausgesprochen wird.

  • Ausschlussentscheidungen anfechten: Sollte der Vorstand bereits begonnen haben, Mitglieder aufgrund der neuen Satzungsregelung förmlich auszuschließen, können die Betroffenen jeden Ausschließungsbeschluss gesondert anfechten. Das GenG sieht vor, dass ein ausgeschlossenes Mitglied binnen eines Monats Widerspruch gegen den Ausschluss einlegen kann (§ 68 Abs. 4 GenG) und bei Ablehnung des Widerspruchs durch die Genossenschaft innerhalb von weiteren 2 Monaten Klage auf Aufhebung des Ausschlusses erheben kann. In dieser Klage kann geltend gemacht werden, dass der Ausschluss unrechtmäßig ist, weil die Satzungsgrundlage unwirksam war oder kein wichtiger Grund vorliegt. Erfolgt der Ausschluss nur wegen fehlender aktiver Geschäftsbeziehungen, ist fraglich, ob dies einen wichtigen Ausschlussgrund darstellt – es fehlen insoweit gesetzliche Anhaltspunkte, dass Inaktivität allein eine Entlassung rechtfertigt. Die Gerichte neigen in solchen Fällen dazu, zugunsten des Mitglieds zu entscheiden, wenn die Klausel als solche unwirksam oder unzumutbar ist.

  • Schadensersatzforderungen prüfen: Mitglieder, die bereits finanziell geschädigt wurden (etwa weil sie – ggf. gutgläubig – ausgetreten sind und nur den niedrigen Nennwert erhielten), können Schadensersatzansprüche prüfen lassen. Denkbar ist ein Anspruch gegen die Genossenschaft bzw. den Vorstand aus § 823 Abs. 2 BGB (Verletzung eines Schutzgesetzes). Ein Schutzgesetz könnte hier § 1 GenG sein, der den Förderzweck verbindlich vorgibt – die bewusste Missachtung dieses Gesetzes zum Nachteil einzelner könnte als Schutzgesetzverletzung eingeordnet werden. Auch eine deliktische Haftung des Vorstands aus § 826 BGB (vorsätzliche sittenwidrige Schädigung) ist vorstellbar, da die Verantwortlichen die älteren Mitglieder bewusst übervorteilt haben. Schließlich kommt (wie oben erwähnt) eine Haftung des Prüfungsverbands selbst in Betracht – allerdings nur gegenüber der Genossenschaft selbst. Um diese Haftungsansprüche durchzusetzen, müssten die geschädigten Mitglieder gegebenenfalls die Genossenschaft auffordern, gegen den Verband vorzugehen, oder im Falle einer Insolvenz der eG den Insolvenzverwalter hierauf hinweisen.

  • Beschwerde bei Aufsichtsstellen: Ein wichtiger Schritt ist, die zuständigen Aufsichtsbehörden einzuschalten. Hier bieten sich zwei Adressaten an: (a) die für die Genossenschaft selbst zuständige Behörde und (b) die Aufsichtsbehörde über den Prüfungsverband (dazu sogleich unter Punkt 5). Erstere – in der Regel die oberste Landesbehörde am Sitz der eG (z. B. das Landeswirtschaftsministerium) – kann überprüfen, ob die Genossenschaft noch dem Förderzweck dient. Stellt die Behörde fest, dass dies nicht der Fall ist (weil z. B. die Genossenschaft in Wahrheit nur noch der Vermögensmehrung weniger Mitglieder dient), kann sie beim Landgericht die Auflösung der Genossenschaft beantragen. Dies ist natürlich ein drastisches Mittel. Allerdings würde eine Auflösung im Ergebnis dazu führen, dass das Vermögen der Genossenschaft – nach Befriedigung aller Verbindlichkeiten – an die Mitglieder verteilt wird. In einer solchen Liquidation würden alle Genossen entsprechend ihrer Geschäftsguthaben oder laut Satzung beteiligt. Für die benachteiligten Mitglieder könnte dies im Extremfall sogar finanziell vorteilhafter sein als die Zwangskündigung zum Nennwert. Die bloße Drohung einer behördlichen Prüfung oder Auflösung kann bereits Druck auf Vorstand und Verband ausüben, um eine einvernehmliche Lösung (Rücknahme der Satzungsänderung, angemessene Abfindungen) zu erreichen.

  • Öffentlichkeit und Verbandsstruktur nutzen: Schließlich können Mitglieder die Öffentlichkeit oder höhere Verbandsstrukturen einschalten. Beispielsweise könnte der Vorgang dem Spitzenverband DGRV oder anderen genossenschaftlichen Gremien gemeldet werden. Innerhalb der genossenschaftlichen Organisation gibt es Qualitätssicherungen – die Prüfungsverbände unterliegen einer Qualitätskontrolle und müssen sich ihrerseits regelmäßigen Prüfungen stellen. Kritik und Beschwerden von Mitgliedern können dazu beitragen, dass auf übergeordneter Ebene Untersuchungen erfolgen. Auch die Medienwirksamkeit sollte nicht unterschätzt werden – in vergleichbaren Fällen hat die öffentliche Berichterstattung zu raschen Lösungen geführt, da Genossenschaften auch reputationsbewusst agieren.

Insgesamt sollten die Mitglieder parallel auf mehreren Ebenen aktiv werden: intern-demokratisch, gerichtlich und aufsichtsrechtlich. Wichtig ist eine gute juristische Beratung und das geschlossene Auftreten einer ausreichend großen Gruppe von Betroffenen, um Gewicht hinter den Forderungen zu versammeln. Die Rechtsordnung bietet im Genossenschaftsrecht durchaus Instrumente, um solche offensichtlichen Missstände zu korrigieren – sie müssen jedoch konsequent genutzt werden.

5. Aufsichtsrechtliche Kontrollmöglichkeiten über den Prüfungsverband

Auch der Prüfungsverband selbst unterliegt einer aufsichtsrechtlichen Kontrolle. Obwohl der Verband kein staatliches Organ ist, wird seine Tätigkeit nicht völlig sich selbst überlassen. Die oberste Landesbehörde des Bundeslandes, in dem der Prüfungsverband seinen Sitz hat, führt die Staatsaufsicht über den Verband. Diese Aufsichtsbehörde (z. B. ein Wirtschafts- oder Innenministerium auf Landesebene) hat verschiedene Eingriffsbefugnisse, um sicherzustellen, dass der Prüfungsverband die ihm nach dem GenG obliegenden Aufgaben ordnungsgemäß erfüllt. Konkret kann die Behörde:

  • Auskünfte und Berichte verlangen: Sie darf vom Verband regelmäßige Berichte über seine Prüftätigkeit anfordern sowie Auskunft darüber verlangen, wie der Verband seinen gesetzlichen Pflichten nachkommt dgrv.de. So könnte die Behörde beispielsweise einen Bericht über den Umgang des Verbands mit Fällen von Förderzweck-Verstößen anfordern.

  • Prüfung von Einzelfällen: Die Aufsichtsbehörde kann konkrete Fälle untersuchen lassen. Mitgliederbeschwerden – etwa über den hier diskutierten Fall – können ein solcher Anlass sein. Die Behörde könnte den Prüfungsverband zur Stellungnahme auffordern, warum im Prüfungsbericht keine Beanstandung der offensichtlichen Satzungsverstöße erfolgt ist.

  • Einsicht in Prüfungsberichte: Die Behörde hat das Recht, Einsicht in Prüfungsberichte zu nehmen. Sie könnte also den betreffenden (oder kommenden) Prüfungsbericht der eG anfordern und selbst prüfen, ob der Verband seinen Prüfpflichten (Betonung des Förderzwecks etc.) nachgekommen ist.

  • Teilnahme an Verbandsgremien: Weiterhin kann die Staatsaufsicht an der Mitgliederversammlung des Prüfungsverbands teilnehmen. Dort kann sie Einfluss nehmen oder zumindest beobachten, ob der Verband ordnungsgemäß geführt wird. Gegebenenfalls könnten dort Missstände – wie etwa unzureichende Prüfungsqualität – thematisiert werden.

  • Weitere Maßnahmen: Die Aufsichtsbehörde kann alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung sicherzustellen. In extremen Fällen dürfte dies bis zur Entziehung des Prüfungsrechts des Verbands gehen, falls er nachhaltig versagt. (Das Prüfungsrecht wird den Verbänden ursprünglich verliehen; bei grober Pflichtverletzung könnte es theoretisch auch wieder entzogen werden, was den Verband existenziell treffen würde.)

Neben der staatlichen Aufsicht gibt es auch eine Art Selbstkontrolle innerhalb der genossenschaftlichen Organisation. Die genossenschaftlichen Prüfungsverbände sind meist Mitglied in Spitzenverbänden (z. B. DGRV) und unterliegen einem Qualitätssicherungssystem, ähnlich der externen Qualitätskontrolle bei Wirtschaftsprüfern. Zwar unterstehen Prüfungsverbände nicht der Wirtschaftsprüferkammer-Aufsicht (sofern es keine reinen WP-Gesellschaften sind), doch die im Verband tätigen Wirtschaftsprüfer müssen sich an die Berufspflichten halten. Die Abschlussprüferaufsichtsstelle (APAS) kann in Teilbereichen mitwirken, insbesondere wenn der Verband Prüfungen durchführt, die Abschlussprüfer vorbehalten sind (etwa bei großen Genossenschaften).

Für die benachteiligten Mitglieder bedeutet dies: Sie können sich mit einer aufsichtsrechtlichen Beschwerde direkt an die zuständige Landesbehörde wenden und dort die Vorgänge schildern. Die Behörde hat sowohl gegenüber der eG (siehe Punkt 4) als auch gegenüber dem Prüfungsverband selbst Eingriffsmöglichkeiten. Im vorliegenden Fall könnten zwei Punkte betont werden: Erstens, dass die Genossenschaft ihren Förderzweck nicht mehr erfüllt und womöglich als “entartete” Genossenschaft aufgelöst werden müsste, und zweitens, dass der Prüfungsverband seine Prüfpflicht gröblich verletzt hat, was eine Maßnahme der Staatsaufsicht über den Verband erfordert. Bereits die Einleitung eines solchen aufsichtsbehördlichen Prüfverfahrens dürfte den Verband enorm unter Druck setzen, ggf. doch noch tätig zu werden (etwa den Prüfungsbericht zu korrigieren oder aktiv auf eine Satzungskorrektur hinzuwirken).

Abschließend sei betont, dass die Rechtsordnung Verstöße gegen den Förderzweck nicht hinnehmen muss. Genossenschaften zeichnen sich dadurch aus, dass ihr Zweck auf Mitgliederförderung gerichtet ist – weicht eine eG von diesem Prinzip ab, drohen ihr letztlich Auflösung oder Verlust der Rechtsform. Prüfungsverbände spielen bei der Einhaltung dieser Grundprinzipien eine zentrale Rolle; versagen sie, können und müssen die genannten Kontrollinstanzen eingreifen, um die Interessen der Genossen zu schützen und das Vertrauen in das Genossenschaftswesen zu erhalten. Die Kombination aus internen (genossenschaftsrechtlichen) und externen (aufsichtsrechtlichen) Rechtsbehelfen bietet den benachteiligten Mitgliedern in diesem Fall eine realistische Chance, die Satzungsänderung rückgängig zu machen oder doch noch eine ihren Anteilen entsprechende Abfindung zu erhalten – sei es durch Korrektur seitens des Prüfungsverbands, durch gerichtliche Entscheidung oder notfalls durch die Ultima Ratio einer geordneten Auflösung der Genossenschaft.

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