Streitwert bei Ausschluss aus Genossenschaft – Hochmut von Vorstand und Aufsichtsrat
In dem Beitrag „Unwirksamer Ausschluss aus Agrargenossenschaft“ berichten wir über einen unwirksamen Ausschluss eines Mitglieds aus einer landwirtschaftlichen Genossenschaft (eG). Das Ausschlussverfahren wurde vom Vorstand und Aufsichtsrat der eG in grober und auffälliger Weise nachlässig, aus treuwidrigen Motiven und hochmütig durchgeführt. Das Genossenschaftsmitglied wehrte sich erfolgreich gegen seinen Ausschluss vor dem Landgericht.
Gerichtskosten in Höhe von EUR 554.229,22
In diesem Beitrag werden wir über die von Vorstand und Aufsichtsrat verursachten enormen Kosten des Gerichtsverfahrens insgesamt in Höhe von EUR 554.229,22 aufklären, die von der eG zulasten aller Mitglieder zu erstatten sind.
Der Fall vor dem Landgericht
- Ein Mitglied sollte aus der eG ausgeschlossen werden.
- Der Vorstand der eG überreichte an das Mitglied eine Anhörungsschrift für den Ausschluss.
- Das Mitglied ließ durch einen Rechtsanwalt eine Gegendarstellung zur Anhörung erarbeiten, die dem Vorstand der eG vorgelegt wurde.
- Der Vorstand erließ einen Ausschlussbeschluss gegen das Mitglied.
- Das Mitglied legte mit Hilfe seines Rechtsanwalts eine Beschwerde gegen den Ausschlussbeschluss beim Aufsichtsrat der eG ein, der die Beschwerde zurückwies.
- Das Mitglied reichte im August 2024 Klage beim Landgicht ein und beantragte u.a.: „Es wird festgestellt, dass die Ausschließung des Klägers aus der Beklagten mit Wirkung zum 31.12.2024 gemäß dem Kläger zugegangenem Ausschlussbeschlussschreiben des Vorstands der Beklagten mit Datum vom … unwirksam und der Kläger über den 31.12.2024 hinaus Genossenschaftsmitglied der Beklagten ist.“
- Das Landgericht stellte in seinem Urteil aus dem Mai 2025 u.a. fest: „1. Es wird festgestellt, dass die Ausschließung des Klägers aus der Beklagten mit Wirkung zum 31.12.2024 gemäß dem Kläger zugegangenem Ausschlussbeschlussschreiben des Vorstands der Beklagten mit Datum vom … unwirksam und der Kläger über den 31.12.2024 hinaus Genossenschaftsmitglied der Beklagten ist.“
- Die eG hat den Rechtsstreit gegen das Mitglied verloren. Deshalb hat das Gericht auch beurteilt: „Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.“
- Die eG akzeptierte das verlorene Urteil und legte keine Berufung ein.
Hohe Kosten des Verfahrens vor dem Landgericht
Die Kosten des Rechtsstreit richten sich nach einem sog. Streitwert oder auch Gegenstandswert genannt.
Die unterlegene eG und das mit seiner Klage erfolgreiche Mitglied stritten sich um die Wirksamkeit des Ausschlussbeschlusses und damit um die weitere Mitgliedschaft des Klägers bei der eG.
Der BGH berechnet den Gegenstandswert bei einem Ausschluss eines Mitglieds einer Gesellschaft wie folgt und stellt fest:
- Die gegen den Ausschluss des Genossen aus der beklagten Genossenschaft gerichtete Klage ist eine vermögensrechtliche Streitigkeit. Der Streit ist wirtschaftlicher Natur.
- Geht es um einen Streit über die Wirksamkeit einer Ausschließung aus einer Gesellschaft, richtet sich der Streitwert nach dem Wert der von der Ausschließung betroffenen Beteiligung.
- Der Wert der Beteiligung bemisst sich insbesondere auch nach dem Wert der Grundstücke der eG.
- Anknüpfungspunkt für den Wert der Beteiligung kann die Abfindung sein, weil sich die Abfindung grundsätzlich nach dem Verkehrswert des Anteils, also nach dem Betrag richtet, den ein Käufer als Erwerber zahlen würde. Der Wert der Grundstücke fließt in den Verkehrswert der Beteiligung an der eG ein.
- Auch wenn ein ausgeschiedenes Genossenschaftsmitglied nach § 73 Abs. 2 Satz 3 GenG grundsätzlich keinen Anspruch auf Beteiligung an den Rücklagen hat, ändert dies nichts an der Berechnung des Verkehrswerts für den Gegenstandswert. Denn der Genosse streitet jedenfalls während seiner Mitgliedschaft um dessen Fortbestehen, also der Mitgliedschaft in der eG. Seine Mitgliedschaft in der eG spiegelt den Verkehrswert seiner Beteiligung.
- Der rechnerische Anteil des Mitglieds an dem bilanziellen Eigenkapital kann als Streitwert angenommen werden, wenn der Verkehrswert nicht errechnet werden kann.
- Nur wenn andere Anhaltspunkte fehlen, ist als untere Grenze der Nennwert der Beteiligung zugrunde zu legen.
Der BGH begründet seine Bewertung des Streitwerts mit dem Wert des Eigenkapitals der eG, das den wirtschaftlichen Wert des Anteils des Klägers sowohl den Nennwert seines Anteils als auch den Betrag seines Geschäftsguthabens deutlich. übersteigt.
Diese Sicht der Bewertung der Geschäftsanteile an einer eG ist auch im Urteil des Landgericht Potsdam zu finden. Dort begründete das Gericht:
„Während in einer Kapitalgesellschaft, wie der Aktiengesellschaft, über den Preis der Aktie die Teilnahme an dem wirtschaftlichen Erfolg durch die Neumitglieder geregelt wird, ist dies bei einer Genossenschaft nicht der Fall, da jeder sich nur in der gleichen Höhe beteiligen kann.
Neumitglieder kommen so in den Genuß des durch die Altmitglieder erwirtschafteten Vermögens. Das ist so lange zu vernachlässigen, wie die Genossenschaft dem Bild der Genossenschaft folgt, kein Vermögen anzuhäufen. Hier ist jedoch, ein erhebliches Vermögen bei der Beklagten entstanden, die Geschäftsguthaben dagegen niedrig geblieben, so daß die Genossen von den Reserven der Genossenschaft nicht profitieren.
Hinzu kommt, daß die Genossenschaft hier eine so geringe Anzahl von Mitgliedern hat, daß die Beklagte eher einer Personengesellschaft denn einer Genossenschaft ähnelt. Hier müssen ganz andere Rücksichten auf die Interessen der weiteren Genossen genommen werden als in einer großen Genossenschaft. Die Interessen der Genossen sind hier mit den Interessen der Genossenschaft weitgehend identisch. Werden die Interessen der Hälfte der Mitglieder verletzt, dann gerät auch die Genossenschaft in Schwierigkeiten. Sie kann ihren eigentlichen Zweck, nämlich die Mitglieder (die sie hat) zu fördern, nicht mehr wahrnehmen, da sich die Mitglieder in Streitigkeiten verlieren.“
Wir zitieren diese Rechtsprechung des BGH
Nach einer Entscheidung des BGH, Beschluss vom 8. April 2025 – II ZR 51/24, gilt Folgendes:
„Ist Gegenstand eines Rechtsstreits die Wirksamkeit der Ausschließung eines Kommanditisten aus der Gesellschaft, richtet sich der Streitwert nach dem Wert des von der Ausschließung betroffenen Gesellschaftsanteils BGH, Beschluss vom 27. April 2009 – II ZB 16/08, NJW 2009, 3161 Rn. 7 [Genossenschaft]; Beschluss vom 12. November 2019 – II ZR 262/18, ZInsO 2020, 440 Rn. 4 mwN; MünchKommZPO/Wöstmann, 7. Aufl., § 3 Rn. 82). Anknüpfungspunkt für den Wert kann die Abfindung sein, weil sich die Abfindung grundsätzlich nach dem Verkehrswert des Anteils, also nach dem Betrag richtet, den ein Dritter als Erwerber zahlen würde (BGH, Urteil vom 30. April 2001 II ZR 328/00, ZIP 2001,1734, 1735; Beschluss vom 8. März 2022 – II ZR 51/21, GmbHR 2022, 537 Rn. 2). Fehlen andere Anhaltspunkte, ist der Nennwert der Gesellschaftsanteile zugrunde zu legen (BGH, Beschluss vom 10. November 2020 – II ZR 243/19, ju-ris Rn. 7; Beschluss vom 31. Januar 2023 – II ZR 11/22, NZG 2023, 1031 Rn. 10).“
Die Entscheidung des BGH, Beschluss vom 27. April 2009 – II ZB 16/08, zum Ausschluss eines Genossenschaftsmitglieds aus der Genossenschaft lautet:
„a) Ein Rechtsstreit um die Wirksamkeit des Ausschlusses eines Mitglieds aus einer Genossenschaft ist in der Regel vermögensrechtlicher Natur. Die gegen den Ausschluss des Genossen aus der beklagten Genossenschaft gerichtete Klage ist als vermögensrechtliche Streitigkeit anzusehen. Der Zweck der Beklagten als eingetragener Genossenschaft ist – wie sich auch aus § 2 ihrer Satzung ergibt – wirtschaftlicher Natur. Dies hat zur Folge, dass ein Mitglied der Genossenschaft durch seinen Ausschluss regelmäßig in seinen vermögensrechtlichen Belangen betroffen ist (RGZ 89, 336, 337; Beuthien, GenG 14. Aufl. § 68 Rdn. 21; Schulte in Lang/Weidmüller, GenG 35. Aufl. § 68 Rdn. 40).
b) Die Rechtsmittelbeschwer der Genossenschaft in Bezug auf ein die Unwirksamkeit des Ausschlusses eines Mitglieds feststellendes Urteil bemisst sich – spiegelbildlich zu dem Interesse des Genossen am Fortbestehen seiner Mitgliedschaft – nach dem (wirtschaftlichen) Wert des von dem Ausschluss betroffenen Geschäftsanteils. Zwar bemisst sich die Beschwer – ebenso wie der Streitwert – bei einem Streit um den Ausschluss eines Mitglieds aus der Genossenschaft, sofern dieser – wie hier – vermögensrechtlicher Natur ist, in der Regel nach der Höhe des Geschäftsguthabens des ausgeschlossenen Mitglieds (Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, GenG 3. Aufl. § 68 Rdn. 39; Schulte in Lang/Weidmüller aaO Rdn. 40), weil dieses zumeist den tatsächlichen Wert des Anteils des Ausgeschiedenen widerspiegelt.
Hier war jedoch eine andere Bewertung deshalb geboten, weil sich aus dem glaubhaft gemachten Vortrag der Beklagten als Berufungsführerin ein höherer wirtschaftlicher Wert des Geschäftsanteils des Klägers ergibt. Denn schon allein im Hinblick auf die in der – von der Beklagten vorgelegten – Bilanz für das Jahr 2007 ausgewiesenen Ergebnisrücklagen von mehr als 8 Millionen € übersteigt der wirtschaftliche Wert des Anteils des Klägers sowohl den Nennwert seines Anteils als auch den Betrag seines Geschäftsguthabens (594,00 €) deutlich. Auch wenn das ausgeschiedene Genossenschaftsmitglied nach § 73 Abs. 2 Satz 3 GenG grundsätzlich keinen Anspruch auf Beteiligung an den Rücklagen hat – es sei denn, dass die Satzung einen solchen Anspruch ausdrücklich vorsieht (§ 73 Abs. 3 GenG) -, ändert dies nichts daran, dass ein Genosse jedenfalls während seiner Mitgliedschaft, um deren Fortbestehen die Parteien streiten, an diesem Wert beteiligt ist.“
Im BGH-Beschluss vom 18. März 2025 – II ZR 81/21 wird festgestellt:
„Der Streit um die Mitgliedschaft in Personenhandelsgesellschaften ist mit dem Wert der gegenständlichen Gesellschaftsanteile zu bewerten (BGH, Beschluss vom 31. Januar 2024 – II ZR 168/22, juris Rn. 4; Beschluss vom 17. September 2024 – II ZR 21/23, juris Rn. 3; jeweils mwN). Dieser Wert bemisst sich hier im Wesentlichen nach dem Wert der Grundstücke der Gesellschaft (vgl. BGH, Be-schluss vom 31. Januar 2024 – II ZR 168/22, juris Rn. 5; Beschluss vom 17. September 2024 – II ZR 21/23, juris Rn. 3; jeweils mwN).“
Die Berechnung des Streitwerts
Der Wert der ausschließenden eG beträgt mindestens EUR 50.000.000.
Das bilanzielle Eigenkapital der eG im Jahresabschluss 2023 beträgt EUR 24.100.000.
Das sich gegen seinen Ausschluss erfolgreich gewährte Mitglied ist mit 27,19% an der eG beteiligt. 27,19% Beteiligung an dem Gesamtwert der eG von EUR 50.000.000 ergibt eine Streitwert von EUR 13.595.000, aufgerundet EUR 13.600.000.
Gerichtsverfahrenskosten bei Gegenstandswert von EUR 13.600.000
Die Verfahrenskosten belaufen sich beim Landgericht, (3 Rechtsanwälte – einmal nur eine Geschäftsgebühr), wie folgt:
Kostenerstattung für die Kanzlei, die das Mitglied (Kläger) vertrat:
Gegenstandswert: EUR 13.600.000,00
Pos. | Beschreibung | Betrag | |
---|---|---|---|
1 | 1,3 Geschäftsgebühr | EUR | 60.799,70 |
2 | 1,3 Verfahrensgebühr | EUR | 60.799,70 |
3 | Anrechnung 1,3 Geschäftsgebühr | EUR | – 30.399,85 |
4 | Pauschale | EUR | 20,00 |
5 | 1,2 Terminsgebühr | EUR | 56.122,80 |
6 | Pauschale für Post und Telekommunikation | EUR | 40,00 |
7 | Zwischensumme netto | EUR | 147.362,35 |
8 | 19 % Mehrwertsteuer | EUR | 27.998,85 |
9 | Gesamtkosten für Kanzlei Kläger | EUR | 175.361,20 |
Kostenerstattung für die 1. Kanzlei, die die beklagte eG vertrat:
Gegenstandswert: EUR 13.600.000,00
Pos. | Beschreibung | Betrag | |
---|---|---|---|
1 | 1,3 Verfahrensgebühr | EUR | 60.799,70 |
2 | 1,2 Terminsgebühr | EUR | 56.122,80 |
3 | Pauschale für Post und Telekommunikation | EUR | 20,00 |
4 | Zwischensumme netto | EUR | 116.942,50 |
5 | 19 % Mehrwertsteuer | EUR | 22.219,08 |
6 | Gesamtkosten 1. Kanzlei eG-Vertreter | EUR | 139.161,58 |
Kostenerstattung für die 2. Kanzlei, die die beklagte eG vertrat:
Gegenstandswert: EUR 13.600.000,00
Pos. | Beschreibung | Betrag | |
---|---|---|---|
1 | 1,3 Geschäftsgebühr | EUR | 60.799,70 |
2 | Pauschale für Post und Telekommunikation | EUR | 20,00 |
3 | Zwischensumme netto | EUR | 60.819,70 |
4 | 19 % Mehrwertsteuer | EUR | 11.555,74 |
6 | Gesamtkosten 2. Kanzlei eG-Vertreter | EUR | 72.375,44 |
Gerichtskostenerstattung | EUR | 167.331,00 |
Gesamtkosten für das 1. Verfahren | EUR | 554.229,22 (!) |
Nach den Berechnungen sind sehr hohe Verfahrenskosten vor dem Landgericht insgesamt in Höhe von EUR 554.229,22 entstanden.
Die Genossenschaft muss die Verfahrenskosten in Höhe von EUR 554.229,22 vollständig übernehmen.
„Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.“
Das ohne die geringste Sorgfalt zubeachtende Verhalten von Vorstand und Aufsichtsrat führt zu einem hohen Schaden in der Genossenschaft und mittelbar bei den Mitgliedern der Genossenschaft.
Ein 2. Versuch eines Ausschlusses desselben Mitglieds und zusätzlich anfallenden Verfahrenskosten von EUR ca. 500.000 wurde zwischenzeitlich von Vorstand und Aufsichtsrat eingeleitet
Vorstand und Aufsichtsrat der landwirtschaftlichen eG versuchen den 2. Ausschluss des Mitglieds mit „brachialer“ Gewalt durchzusetzen. Das 2. Ausschlussverfahren wurde von Vorstand und Aufsichtsrat noch schlampiger, insbesondere noch deutlicher aus unangemessenen treuwidrigen Motiven als den 1. Ausschlussversuch bearbeitet und durchgeführt. Vorstand und Aufsichtsrat nehmen billigend in Kauf (Vorsatz 2. Grades), insgesamt mehr als EUR 1.000.000 in zwei ausichtslose Gerichtsverfahren ohne entsprechenden Nutzen leichtsinnig zu vergeuden.
Deshalb ist es an dieser Stelle auch geboten, über die persönliche Haftung von Vorstand und Aufsichtsrat Stellung zu nehmen.
Haftung der Genossenschaftsorgane nach pflichtwidrigem Ausschlussverfahren
Die Genossenschaft hat das Verfahren gegen das Mitglied verloren und muss die Kosten in Höhe von ca. EUR 554.000 Euro tragen.
Rechtliche Grundlagen der Organhaftung
Haftung des Vorstands
Die Vorstandshaftung in einer Genossenschaft ist in § 34 GenG geregelt. Nach § 34 Abs. 1 GenG müssen Vorstandsmitglieder bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einer Genossenschaft anwenden. § 34 Abs. 2 GenG bestimmt, dass Vorstandsmitglieder, die ihre Pflichten verletzen, der Genossenschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet sind.
Der Vorstand haftet für Schäden, die durch pflichtwidrige Entscheidungen entstehen, grundsätzlich bereits bei leichter Fahrlässigkeit. Es gilt im Genossenschaftsrecht zusätzlich das Prinzip der Business-Judgment-Rule, wonach unternehmerische Entscheidungen geschützt sind, wenn sie auf der Grundlage angemessener Information zum Wohl der Genossenschaft getroffen wurden.
Haftung des Aufsichtsrats
Die Aufsichtsratshaftung folgt aus § 41 GenG i.V.m. § 34 GenG. Nach § 41 GenG gelten für die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit des Aufsichtsrats die Vorschriften über die Vorstandshaftung entsprechend. Der Aufsichtsrat hat nach § 38 GenG die Aufgabe, den Vorstand bei dessen Geschäftsführung zu überwachen.
Voraussetzungen für Schadensersatzansprüche
Pflichtverletzung der Organe
Die Anhörung des Mitglieds durch den Vorstand war oberflächlich und von unangemessenen persönlichen Zielen des Vorstands geprägt. Der Vorstand verstieß gegen die Sorgfaltspflicht, da eine ordnungsgemäße Anhörung vor einem Ausschluss gemäß § 68 GenG und der genossenschaftlichen Treuepflicht erforderlich ist.
Der Aufsichtsrat hat die Beschwerde gegen den Ausschlussbeschluss zurückgewiesen, obwohl das Verfahren mangelhaft war. Hier ist eine unzureichende Überwachung des Vorstands eine Sorgfaltspflichtverletzung gegeben.
Schaden und Kausalität
Der Schaden liegt in den Verfahrenskosten von ca. EUR 554.000, die entstanden sind, weil die Genossenschaft den Rechtsstreit leichtsinnig geführt und kosequent verloren hat. Die Kausalität ist gegeben, weil der Schaden bei ordnungsgemäßer Durchführung des Ausschlussverfahrens vermieden worden wäre. Die Organe hätten bei der ordnungsgemäßen Prüfung der Ausschlussgründe festgestellt, dass die Voraussetzungen für einen Ausschluss des Mitglieds nicht gegeben sind.
Verschulden
Die Beweislast für die Sorgfaltspflicht trägt nach § 34 Abs. 2 Satz 2 GenG der Vorstand. Der Aufsichtsrat unterliegt der gleichen Beweislastumkehr.
Verfahrensrechtliche Aspekte
Vertretung der Genossenschaft
Bei Klagen gegen den Vorstand vertritt der Aufsichtsrat die Genossenschaft nach § 39 GenG. Bei Klagen gegen den Aufsichtsrat werden besondere Vertreter von der Generalversammlung gewählt.
Haftung des Aufsichtsrats bei Untätigkeit
Der Aufsichtsrat kann selbst haftbar werden, wenn er Schadensersatzansprüche gegen den Vorstand nicht geltend macht oder verjähren lässt. Dies kann zu einer besonderen Haftungssituation führen, in der der Aufsichtsrat sowohl wegen eigener Pflichtverletzung als auch wegen unterlassener Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Vorstand haftet.
Höhe der Haftung
Die Organhaftung ist grundsätzlich unbeschränkt und umfasst auch die Kosten interner Untersuchungen und Rechtsstreitigkeiten. Bei einem Verkehrswert der Beteiligung von 13.600.000 Euro und Verfahrenskosten von ca. EUR 554.000 Euro liegt eine wirtschaftlich bedeutsame Haftungssituation vor.
Ergebnis
Der Vorstand und der Aufsichtsrat einer landwirtschaftlichen Genossenschaft stehen in einer hohen Verantwortung gegenüber dem Unternehmen und den Genossenschaftsmitgliedern. Selbstherrliches Verhalten der Organe kann zu erheblichen Sorgfaltspflichtverletzungen und hohen Schadensersatzforderungen führen.