Unwirksamer Ausschluss aus der Agrargenossenschaft – Mitglied muss wieder aufgenommen werden

Ein Genossenschaftsmitglied hatte sich erfolgreich gegen seinen Ausschluss aus einer landwirtschaftlichen Genossenschaft gewehrt. Das Gericht entschied, dass der Ausschluss durch den Vorstand der Genossenschaft unwirksam ist – und das Mitglied weiterhin zur Genossenschaft gehört. Die Entscheidung beleuchtet grundlegende Anforderungen an Ausschlussverfahren innerhalb von Genossenschaften.

Hintergrund des Streits

Der Kläger war seit Jahren Mitglied der Genossenschaft und mit rund 27 % am Kapital beteiligt. Im Juni 2023 wurde er in den Aufsichtsrat einer benachbarten Aktiengesellschaft gewählt, die nach Einschätzung der Genossenschaft in Konkurrenz zu ihr steht. Die Genossenschaft warf ihm daraufhin einen Interessenkonflikt vor und beschloss im Juni 2024 seinen Ausschluss zum Jahresende.

Begründet wurde dies damit, dass der Kläger durch seine Aufsichtsratstätigkeit die konkurrierende Gesellschaft unterstütze. Außerdem wurde ihm später vorgeworfen, eine Übernahme einer weiteren Agrargenossenschaft vorbereitet und vertrauliche Informationen weitergegeben zu haben.

Entscheidung des Gerichts

Das Gericht erklärte den Ausschluss für unwirksam. Dabei stellte es auf mehrere Aspekte ab:

1. Keine ausreichenden Ausschlussgründe

Ein Mitglied kann laut Satzung ausgeschlossen werden, wenn es ein Konkurrenzunternehmen betreibt oder sich nicht im Einklang mit den Interessen der Genossenschaft verhält.

Das Gericht stellte jedoch klar:

  • Ein bloßes Aufsichtsratsmandat bei einem möglicherweise konkurrierenden Unternehmen reicht nicht aus, um einen Ausschluss zu rechtfertigen.
  • Es fehle an einem konkreten Schaden für die Genossenschaft oder zumindest an einer nachvollziehbaren Gefährdung.
  • Zudem habe das Mitglied freiwillig angeboten, das Aufsichtsratsamt niederzulegen – ein milderes Mittel, das die Genossenschaft ignoriert habe.

2. Schwere Verfahrensfehler – fehlende Anhörung

Ein zentraler Punkt der Entscheidung war die Verletzung des rechtlichen Gehörs. Die Genossenschaft hatte dem Mitglied zunächst nur einen Teil der Vorwürfe mitgeteilt (die Aufsichtsratstätigkeit). Später – im eigentlichen Ausschlussbeschluss – kamen zusätzliche Vorwürfe hinzu:

  • die Mitwirkung an einer Übernahmeplanung bei einer anderen Genossenschaft,
  • die Weitergabe vertraulicher Informationen,
  • sowie angebliche Verhandlungen über eine finanzielle Abfindung.

Zu diesen neuen Vorwürfen wurde das Mitglied jedoch nie angehört – weder durch den Vorstand noch später im internen Beschwerdeverfahren durch den Aufsichtsrat. Das Gericht stellte klar, dass ein solcher Ausschlussbeschluss nichtig ist. Der Grund: Jedes Mitglied hat einen Anspruch darauf, sich zu allen konkreten Vorwürfen vor der Entscheidung äußern zu können.

Ein bloßes internes Beschwerdeverfahren reicht zur Heilung nicht aus, wenn dort ebenfalls keine Anhörung erfolgt. Das Gericht betonte ausdrücklich, dass eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht im Nachhinein geheilt werden kann.

3. Rücknahme des Ausschlusses zu spät und ohne Wirkung

Kurz vor dem Gerichtstermin hatte die Genossenschaft erklärt, man betrachte den Ausschlussbeschluss als „gegenstandslos“ und werde daraus keine Rechte mehr herleiten. Das Gericht sah darin jedoch keine wirksame Rücknahme, da:

  • eine Rücknahme nach § 68 Abs. 1 Satz 2 GenG nur bis zum Ende des Geschäftsjahres zulässig ist,
  • und sie zudem die Zustimmung des Betroffenen erfordert hätte – die hier nicht vorlag.

Zudem bestehe ein berechtigtes Interesse des Klägers an einer gerichtlichen Klärung, z. B. im Hinblick auf mögliche Schadensersatzansprüche oder Rehabilitierung.

Fazit

Das Urteil zeigt:
Ein Ausschluss aus einer Genossenschaft darf nicht willkürlich oder überstürzt erfolgen. Es müssen:

  • klare, nachweisbare Ausschlussgründe vorliegen,
  • dem Mitglied vor der Entscheidung sämtliche Vorwürfe offen dargelegt werden,
  • und das Mitglied muss Gelegenheit haben, sich dazu umfassend zu äußern.

Verfahrensfehler wie eine unterlassene Anhörung oder das Ignorieren milderer Maßnahmen führen zur Unwirksamkeit des Ausschlusses – selbst wenn die Genossenschaft später von ihrem Beschluss abrückt.

Das Urteil ist nachzulesen unter Landgericht Erfurt, Urteil vom 23.05.2025 – 1 HKO 42/24

Über die hohen Gerichtsverfahrenskosten für die unterlegene Agrargenossenschaft von ca. EUR 550.000 gehen wir in einem weiteren Beitrag ein. 

Weitere Beiträge zum Genossenschaftsrecht können Sie unter Genossenschaft nachlesen. Es werden dort Fragen zum Unterschied zwischen ursprünglichen Genossenschaften mit zigtausenden Mitgliedern (Genossenschaftsbanken) einerseits und Agrargenossenschaften mit wenigen Genossenschaftsmitgliedern und hohem Vermögen behandelt. Wir gehen dort auf die hohe Wertentwicklung der einzelnen Geschäftsanteile im Vergleich zu den geringen Nennbeträgen dieser Geschäftsanteile ein. Der wahre Wert der Geschäftsanteile übersteigt ein Vielfaches des Nennbetrags.

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