Die Insolvenzanfechtung wird inzwischen gemeinhin als das schärfste Schwert eines Insolvenzverwalters bezeichnet.

Zwar gilt das Insolvenzanfechtungsrecht, d.h. die Ermittlung von Ansprüchen der Insolvenzmasse gem. §§ 129ff. InsO als Regelaufgabe eines jeden Insolvenzverwalters im Rahmen eines Insolvenzverfahrens, allerdings ist anerkannt, dass – bis auf besonders einfach gelagerten Fälle – ein Insolvenzanfechtungsstreit bzw. die abschließende Prüfung zur Geltendmachung „ein Insolvenzverwalter ohne volljuristische Ausbildung auf einen hierauf spezialisierten Rechtsanwalt übertragen“ wird, so schon der BGH, Beschl. v. 08.03.2012 – IX ZB 162/11; Beschl. v. 14.11.2012 – IX ZB 95/10.

Bereits hierdurch wird deutlich, dass das Anfechtungsrecht zu den speziellsten und für den „Otto-Normal-Verbraucher“ am schwierigsten nachvollziehbarsten Rechtsgebieten im deutschen Recht gehört. Auch wenn die in den § 143 i.V.m. §§ 130, 131, 132, 133, 134, 135, 136 und 137 InsO abschließend geregelten Anspruchsgrundlagen für eine Insolvenzanfechtung scheinbar relativ begrenzt und übersichtlich sind, darf sich kaum ein Anfechtungsgegner ohne vertiefte und aktuelle Kenntnisse auf diesem Gebiet berechtigte Hoffnungen darauf machen, die Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter abwehren zu können. Wird ein Unternehmen, ein Unternehmer oder auch ein Verbraucher mit den sogenannten Rückgewährsansprüchen aus Insolvenzanfechtung gem. § 143, 129ff. InsO, konfrontiert, so ist ihm dringend anzuraten, sich an einen hierauf spezialisierten Rechtsanwalt zu wenden.

Der hiesige Beitrag soll weder eine in einem Rechtsstreit vorzunehmende vollständige Analyse sämtlicher Anfechtungstatbestände ersetzen, noch eine bis in den letzten Meinungsstreit hineingehende wissenschaftliche Abhandlung darstellen. Vorliegend soll lediglich ein Überblick über die Charakteristik und Möglichkeiten zur Verteidigung gegen die Insolvenzanfechtung gegeben werden.

Charakteristik der Insolvenzanfechtung

Um die Stoßrichtung einer Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter und die mit dem Schreiben zur Inanspruchnahme vorgebrachten Vorwürfe besser zu verstehen, bedarf es zunächst einer Einordnung der Charakteristik der Insolvenzanfechtung und ihrer Rechtsfolgen.

a) Rückgewährverhältnis als Rechtsfolge; keine Nichtigkeit

Anders als die zivilrechtliche Anfechtung gem. §§ 119ff., 142 BGB oder auch die gesellschaftsrechtliche Anfechtung von Beschlüssen der Hauptversammlung gem. § 246 AktG führt die insolvenzrechtliche Anfechtung weder zur Nichtigkeit, noch zur Unwirksamkeit des Angefochtenen.

Rechtsfolge der insolvenzrechtlichen Anfechtung ist vielmehr ein sogenanntes Rückgewährsschuldverhältnis, d.h. der Anfechtungsgegner schuldet die Rückgewähr des anfechtbar Erlangten. Insoweit heißt es in § 143 Abs. 1 S. 1. InsO:

„Was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muss zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden.“

Begründet wird dieses Instrument in einem Insolvenzverfahren mit der „gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger schon für einen früheren Zeitpunkt als den der formellen Eröffnung des Insolvenzverfahrens“ und der Rückgängigmachung einer „sachlich ungerechtfertigten Vermögenverschiebung, durch die die Insolvenzmasse verkürzt wurde“; vgl. Hirte in InsO- Kommentar Uhlenbruck § 129 Rn. 1 m.V.a. BGH WM 1963, 748, 749 u.v.a..

Für den Anfechtungsgegner bedeutet eine erfolgreiche Insolvenzanfechtung, dass er die erlangte Zahlung, die erlangte Überweisung oder auch die erlangte Sache und/oder das erlangte Grundstück wieder an den Insolvenzverwalter herauszugeben bzw. aufzulassen hat. Im Unterschied zu zivil- bzw. gesellschaftsrechtlichen Anfechtungen geht die ursprüngliche Forderung des Anfechtungsgegners im Falle einer erfolgreichen Insolvenzanfechtung und Rückgewähr jedoch nicht unter, sondern lebt wieder auf, vgl. § 144 Abs. 1 InsO.

Der Anfechtungsgegner kann nun seine ursprüngliche Forderung zur Tabelle anmelden. Dies mag in Anbetracht des soeben zurückgewährten Leistung keine wirkliche Begeisterung bei ihm hervorrufen, allerdings sollte auch dieser Aspekt – gerade bei größeren Forderungen und nicht zu kleinen zu erwartenden Quoten im Insolvenzverfahren – stets als Aspekt möglicher Verteidigungsstrategien und/oder Vergleichsverhandlungen Berücksichtigung finden.

b) Überblick über die Anfechtungstatbestände

Grundsätzlich gilt es bei der Begutachtung und Entwicklung von Strategien zur Abwehr von Insolvenzanfechtungsansprüchen stets zu bedenken, dass sämtliche Anfechtungstatbestände in Anspruchskonkurrenz zueinander stehen, das heißt vom Insolvenzverwalter nebeneinander geltend gemacht werden können; einzige Ausnahme: die Anfechtung wg. unentgeltlicher Leistung (§ 134 Abs. 1 InsO) und die Anfechtung eines entgeltlichen Vertrages § 133 Abs. 4 InsO stehen im Exklusivitätsverhältnis zueinander, so statt aller bspw. Schmittmann in Haarmeyer/Huber/Schmittmann, Praxis der Insolvenzanfechtung, § 134 InsO Rn. 88.

Mithin kann eine Verteidigung gegen Anfechtungsansprüche dann nicht gewonnen werden, wenn lediglich ein Anfechtungstatbestand ausscheidet, die vom Insolvenzverwalter begehrte Sache/Leistung jedoch nach den Vorschriften eines anderen (insolvenzrechtlichen) Anfechtungstatbestandes zurückzugewähren ist.

aa) Beweislast des Insolvenzverwalters

Ebenso grundsätzlich – und das heißt bereits außergerichtlich ab dem ersten Inanspruchnahmeschreiben, und umso mehr erst recht im Rahmen eines sodann geführten Rechtsstreites – ist der Insolvenzverwalter für das Vorliegenden der Tatbestandsvoraussetzungen (bspw. kongruente/inkongruente oder auch unentgeltliche Leistung oder/und Vorliegen eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes) einer Insolvenzanfechtung darlegungs- und beweisbelastet.

In diesem Zusammenhang ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass niemand dazu verpflichtet ist, dem Insolvenzverwalter die zur Begründung einer Insolvenzanfechtung notwendigen Auskünfte zu erteilen. Zwar ist es richtig, dass der Insolvenzverwalter grundsätzlich ein Auskunftsrecht aus dem Rückgewährsverhältnis i.V.m. § 242 BGB hat, so statt aller Hirte in InsO- Kommentar Uhlenbruck § 143 Rn. 45, allerdings muss der Rückgewährsanspruch dem Grunde nach bereits feststehen und der Dritte nicht nur möglicherweise zur Rückgewähr verpflichtet sein, dergl. a.a.O. m.V.a. BGH, Urt. v. 18.06.1998 – IX ZR 311/95 u.v.a.. Es darf nur noch um die Bestimmung von Art und Umfang des Anspruchs gehen.

Oftmals versuchen Insolvenzverwalter die der Insolvenzmasse durch die Beauftragung eines weiteren Rechtsanwalts auferlegten Extrakosten durch die Behauptung des angeblichen Verzuges „auf den Anfechtungsgegner abzuwälzen“. Da werden Inanspruchnahmeschreiben dem Anfechtungsgegner

• losgelöst bzw. im Widerspruch zum tatsächlich vorliegenden Sachverhalt;
• mit (offensichtlichen und noch dazu) unpassenden Textbausteinen aus (mitunter komplett veralteter) Rechtsprechung und Kommentarliteratur „zusammengebastelt“;
• unangemessen kurze Fristen gesetzt;

und mit der Androhung der unverzüglichen anwaltlichen Beauftragung und gerichtlichen Inanspruchnahme übersandt.

Hierbei übersehen sowohl die so vorgehenden Insolvenzverwalter, als auch die diese Kosten dann einklagenden Rechtsanwälte, dass derartige nicht nachvollziehbaren, unrichtigen und unbelegten Inanspruchnahmen den Verzug gar nicht begründen können.

Zum einen setzt der in § 286 BGB normierte Verzug bereits voraus, dass der geltend gemachte Anspruch hinreichend konkretisiert sein muss, vgl. Ernst in MüKoBGB, 8. Aufl. 2019, § 286 Rn. 19/34.
Zum anderen wird dem Anfechtungsgegner so eine Beurteilung seiner Rückgewährverpflichtung nicht, jedenfalls nicht im erforderlichen Mindestumfang, ermöglicht, vgl. so auch LG Dresden, Urt. v. 15.01.2016 – 10 O 1225/15.

bb) Übersicht

(1.)

Allen Anfechtungen gemäß der §§ 130 – 137 InsO ist gemein, dass ihnen als allgemeine Grundbedingung die sogenannte Gläubigerbenachteiligung gem. § 129 InsO, zugrunde liegt. Im Rahmen der hiesigen Ausführungen soll zunächst nicht vertieft auf die unterschiedlichen Varianten einer unmittelbaren und/oder lediglich mittelbaren Gläubigerbenachteiligung und wann welche davon notwendigerweise vorliegen muss, eingegangen werden.

Eine Gläubigerbenachteiligung ist stets dann zu bejahen, wenn die angefochtene Handlung die Aktivmittel des/der Insolvenzschuldners/-in verkürzt oder die bestehenden Verbindlichkeiten vergrößert hat (BGH, Urt. v. 19.07.2018 – IX ZR 307/16; BGH, Urteil vom 7. Februar 2002 – IX ZR 115/99, ZIP 2002, 489; vom 6. April 2006 – IX ZR 185/04, ZIP 2006, 1009 Rn. 20; vom 9. Juli 2009 – IX ZR 86/08, NZI 2009, 644 Rn. 25), wenn sich also mit anderen Worten die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten (BGH, Urteil vom 11. November 1993 – IX ZR 257/92; vom 9. Juli 2009, aaO Rn. 25; vom 25. Januar 2018 – IX ZR 299/16, WM 2018, 328 Rn. 9 mwN).

(2.)

Hierauf aufbauend sind nach § 130 InsO die Fälle als sogenannte „Kongruente Deckung“ anfechtbar, in denen der Gläubiger vom Schuldner eine Erfüllung oder Sicherung kurz vor oder während der Krise erlangt, die er in der geleisteten Form auch verlangen durfte, vgl. Homann/Meyer in „Insolvenzanfechtung aus der Sicht des Insolvenzverwalters und –beraters“ S. 36f.
Begründet wird dies damit, dass kein Gläubiger im Gesamtgläubigervergleich während der Krise irgendwelche Vorteile erhalten soll, selbst wenn ihm die Befriedigung oder Sicherung zusteht.

(3.)

Ebenso baut eine Anfechtung gem. § 131 InsO wegen sogenannter „Inkongruenter Deckung“ auf einer Gläubigerbenachteiligung auf. Da der Gläubiger in der Krise etwas erhalten hat, was er „nicht“, „nicht in der Art“ und/oder „nicht zu der Zeit“ beanspruchen durfte, gelten für die Anfechtung nach § 131 InsO strengere Maßstäbe (im Hinblick auf den Anfechtungsgläubiger), d.h. der Insolvenzverwalter kann derartige Anfechtung wegen der geringeren Hürden leichter durchsetzen.

(4.)

Den wohl bei Insolvenzverwaltern mittlerweile beliebtesten, am weitesten zurückreichenden und auch nicht durch ein sogenanntes Bargeschäft (§ 142 InsO) wegzuargumentierenden Anfechtungsgrund stellt die Anfechtung nach § 133 InsO wegen „Vorsätzlicher Benachteiligung“ dar. Mittels dieser Norm werden – auch nach dem Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz – Rechtshandlungen des des Insolvenzschuldners angefochten, die dieser mit dem Vorsatz die Gläubiger zu benachteiligen vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Insolvenzschuldners kannte.
Den meisten Zündstoff und Diskussionsbedarf gibt es in den Anfechtungsrechtsstreiten auch nach dem 05.04.2017 bezüglich der beiden subjektiven Tatbestandsmerkmale „Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Insolvenzschuldners“ und „Kenntnis des anderen Teils von diesem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz“, sowie der – diese beiden Tatbestandsmerkmale vorbereitenden – Feststellung der jeweils behaupteten (zumindest drohenden) Zahlungsunfähigkeit.
Da in den seltensten Fällen in einem Anfechtungsrechtsstreit durch den Insolvenzverwalte eine Liquiditätsbilanz zur stichtagsgenauen Feststellung einer Zahlungsunfähigkeit vorgelegt wird, verspricht der Aufbau einer Verteidigung in diesem Punkt – und hierauf aufbauend in den beiden subjektiven Tatbestandsmerkmalen – die höchsten Erfolgsaussichten.

(5.)

Mit der gemeinhin als Schenkungsanfechtung bezeichneten Anfechtung gem. § 134 Abs. 1 InsO wegen „Unentgeltlicher Leistung“ werden durch den Insolvenzverwalter sogenannte unentgeltliche Leistungen des Schuldners angefochten, d.h. Leistungen denen vereinbarungsgemäß keine ausgleichende Gegenleistung durch den Anfechtungsgegner gegenüberstanden.

(6.)

In § 135 InsO ist nunmehr die Anfechtbarkeit von Gesellschafterdarlehen und/oder den für ein solches erlangten Befriedigungen und Sicherheiten gesetzlich geregelt, die früher als Teil der Novellenregeln (§§ 32a, 32b GmbHG) für das sogenannte „haftende Eigenkapital“, vgl. Hirte in InsO-Kommentar Uhlenbruck § 135 Rn. 2ff., von der Rechtsprechung entwickelt worden waren.

(7.)

Die Charakterisierung der §§ 136 und 137 InsO wird aufgrund ihrer geringen Relevanz in den alltäglichen Insolvenzverfahren vorerst weggelassen.

cc) Zeitlicher Rahmen

Ein weitere – vom Insolvenzverwalter zu beweisende – Tatbestandsvoraussetzung der Insolvenzanfechtung ist der zeitliche Rahmen der erklärten Anfechtung, der sich nach dem Datum des Eingangs des Antrags auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beim Insolvenzgericht bestimmt.

(1.)

Entsprechend der Regelungen der §§ 130, 131 als auch 132 InsO ist der Insolvenzverwalter auf Anfechtung gemäß dieser Vorschriften beschränkt auf den Zeitraum der letzten 3 Monate vor dem Antrag.

(2.)

Den weiteren zeitlichen Rahmen von 1 bis zu 10 Jahren vor Insolvenzantragstellung kann der Insolvenzverwalter mit einer Anfechtung gem. § 135 InsO nutzen.

(3.)

Die Anfechtung gem. § 133 Abs. 4 InsO ist erst ausgeschlossen, wenn die Handlung mehr als 2 Jahre vor der Insolvenzantragstellung erfolgt ist.

(4.)

Und letztlich neben all den vorhergenannten Anfechtungen kann die Anfechtung gem. § 133 Abs. 1 InsO wegen einer Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten 10 Jahren vor dem Insolvenzeröffnungsantrag vorgenommen hat, erfolgen.

c) Zusammenfassung

Bereits durch so aufgezeigten Kurzüberblick wird deutlich, dass es eine pauschale und stets richtige Verteidigungsstrategie gegen Ansprüche auf Rückgewähr wegen Insolvenzanfechtung nicht geben kann.

Jedes von einem Insolvenzverwalter formulierte und geltend gemachte Anfechtungsbegehren bedarf der individuellen Überprüfung und – wenn möglich und erfolgversprechend – Entwicklung einer eigenen Abwehrstrategie.

Unsere Empfehlungen:

Im Ergebnis dieser Ausführungen kann daher nur jedem wegen Insolvenzanfechtung auf Rückgewähr in Anspruch Genommenen, sogenannten Anfechtungsgegner, geraten werden, sich zu den geltend gemachten Ansprüchen rechtlich beraten und ggf. auch in einem Gerichtsprozess vertreten zu lassen.

Gern beraten wir Sie hierzu und unterstützen Sie gegenüber dem Insolvenzverwalter.

Sie haben Fragen, befürchten Unklarheiten oder möchten Anmerkungen zu unseren Ausführungen machen, dann kontaktieren Sie uns gerne über die hierfür zur Verfügung stehenden Kanäle.

Ihre Ansprechpartnerin

Mehmet Akif Göçer
Mehmet Akif GöçerRechtsanwalt
Mehmet Akif Göçer ist angestellter Rechtsanwalt und mit dem Schwerpunkt Handels- und Gesellschaftsrecht betraut.

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