Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft
Wenn die GmbH oder AG eigene Anteile unter Wert kauft – droht Schenkungsteuer?
Ein aktueller Fall vor dem Bundesfinanzhof (BFH) zeigt ein unerwartetes Risiko für GmbH-Gesellschafter: Eine Erbengemeinschaft verkaufte ihren Anteil an einer GmbH unter dem tatsächlichen Wert an die GmbH selbst. Konkret erhielt die Erbengemeinschaft 300.000 € für den Anteil, während der gemeine Wert (Verkehrswert) dieses Anteils amtlich mit rund 1,8 Mio. € festgestellt wurde. Die Differenz von ca. 1,5 Mio. € bewirkte, dass die übrigen Gesellschafter ihren prozentualen Anteil am GmbH-Vermögen steigerten – ohne eigenes Zutun. Das Finanzamt stufte diese Wertsteigerung der anderen Geschäftsanteile als Schenkung ein und setzte Schenkungsteuer fest. Der betroffene Gesellschafter wehrte sich dagegen. Im Kern stand die Frage: Kann der Rückkauf eigener Anteile durch die GmbH zu einer schenkungsteuerpflichtigen Wertverschiebung führen?
§ 7 Abs. 8 ErbStG – Eine Regel gegen verdeckte Schenkungen
Die Antwort findet sich in § 7 Abs. 8 Satz 1 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG). Diese 2011 eingeführte Vorschrift fingiert eine Schenkung, um Steuerlücken bei unentgeltlichen Leistungen im Gesellschaftsbereich zu schließen. Vereinfacht gesagt: Wenn jemand einer Kapitalgesellschaft Vermögenswerte zuführt und dadurch die Anteile eines anderen Gesellschafters im Wert steigen, wird dies wie eine direkte Schenkung an den Mitgesellschafter behandelt. Damit soll verhindert werden, dass durch ungenügende oder einseitige Einlagen („disquotale“ Einlagen) Schenkungsteuer umgangen wird. Wichtig: Diese Spezialvorschrift ersetzt die sonst übliche Definition der Schenkung. Auf eine freigebige (freiwillig-unentgeltliche) Zuwendung kommt es hier nicht an – allein der objektive Wertzuwachs zählt.
Wann gilt eine Werterhöhung als Schenkung?
Nicht jede Leistung an eine GmbH löst automatisch Schenkungsteuer aus. § 7 Abs. 8 ErbStG greift nur, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind:
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Leistung an die Gesellschaft: Ein Gesellschafter oder auch ein Dritter erbringt eine Leistung an die GmbH, die Vermögen überträgt (z.B. Einlage, Verzicht oder Verkauf unter Wert). Auch die Abtretung eigener Anteile an die GmbH selbst – also ein Rückkauf durch die Gesellschaft – zählt als solche Leistung.
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Wertsteigerung bei Mitgesellschafter: Durch diese Leistung erfährt der Anteil eines anderen bereits an der Gesellschaft beteiligten Gesellschafters (unmittelbar oder mittelbar) eine Wertsteigerung. Das heißt, der gemeine Wert seines Geschäftsanteils ist nach der Leistung höher als vorher. Dieser Wertvergleich erfolgt nach den üblichen Bewertungsregeln für nicht börsennotierte Unternehmen (§ 11 BewG).
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Messbarer Unterschied: Die Wertsteigerung muss sich objektiv ermitteln lassen. Maßgeblich ist der Unterschied zwischen dem Anteilwert vor und nach der Leistung. Die Obergrenze der Schenkung ist dabei der Wert der (teilweise) unentgeltlichen Leistung selbst – mehr kann der Mitgesellschafter nicht geschenkt bekommen.
Erst wenn all diese Punkte vorliegen, gilt der Wertzuwachs als steuerpflichtige Schenkung vom Leistenden an den begünstigten Gesellschafter. Entscheidend ist allein die eingetretene Vermögensmehrung. Ob die Beteiligten subjektiv eine Schenkung beabsichtigten, spielt keine Rolle.
Verkauf unter Marktwert: Warum kann Schenkungsteuer anfallen?
Verkauft ein Gesellschafter seine GmbH-Anteile unter dem Marktwert an die Gesellschaft zurück, profitieren die verbleibenden Gesellschafter finanziell. Ihr Anteil am Gesellschaftsvermögen wird wertvoller, weil die GmbH die Anteile günstiger erworben hat als sie wert sind. Dieser unentgeltliche Vorteil für die Mitgesellschafter wird vom Gesetz wie ein Geschenk behandelt. Im obigen BFH-Fall bedeutete das: Die Erben, die unter Wert verkauft hatten, galten als Schenker, und die verbliebenen Gesellschafter als Beschenkte. Die Differenz von rund 1,5 Mio. € stellte aus Sicht des Finanzamts den geschenkten Wert dar. Somit fiel Schenkungsteuer an, als hätten die Verkäufer den übrigen Anteilseignern Geld in entsprechender Höhe geschenkt.
Für Unternehmer und Gesellschafter heißt das in der Praxis: Vorsicht bei solchen „Freundschaftsdeals“. Wenn Anteile an die eigene GmbH unter dem gemeinen Wert (Verkehrswert) veräußert werden, kann die Steuerbehörde eine Schenkung unterstellen. Das gilt übrigens nicht nur für Anteilskäufe, sondern für alle Formen von Leistungen, die einseitig Werte übertragen – etwa ein Verzicht auf Forderungen gegenüber der GmbH oder eine Einlage ohne entsprechende Gegenleistung. Hier sollte stets geprüft werden, ob andere Gesellschafter einen gratuiten Vorteil erhalten.
Nicht jede Leistung an die Gesellschaft löst Schenkungsteuer aus
Wichtig zu wissen: Nicht jede Zuwendung an die GmbH wird automatisch zur Schenkung an Mitgesellschafter. Entscheidend ist, ob tatsächlich ein Wertzuwachs bei den anderen Anteilen eintritt. Einige Beispiele, wann keine schenkungsteuerliche Werterhöhung vorliegt:
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Marktübliche Gegenleistung: Erfolgt die Leistung zu fairen Konditionen, liegt kein Geschenk vor. Hat der Leistende und die GmbH also nach bestem Wissen einen angemessenen Preis vereinbart, geht der Fiskus nicht von einer Schenkung aus – selbst wenn sich im Nachhinein ein kleiner Unterschied ergibt. Nur bei einem offensichtlichen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung greift § 7 Abs. 8 ErbStG. Praktisch bedeutet das: Wenn alle Beteiligten nachvollziehbar von einem ausgeglichenen Geschäft ausgehen, soll keine Schenkung unterstellt werden.
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Keine Wertsteigerung erkennbar: Selbst wenn jemand der GmbH etwas gibt, kann der Wert der übrigen Anteile unter Umständen gleich bleiben oder sogar sinken. Etwa wenn durch das Ausscheiden eines Gesellschafters wichtige Fähigkeiten, Kunden oder Know-how verlorengehen – dann kann der Unternehmenswert trotz geringem Kaufpreis fallen. In solchen Fällen profitieren die verbleibenden Gesellschafter nicht; folglich liegt keine Schenkung vor.
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Quotale Einlagen: Zahlen alle Gesellschafter entsprechend ihrer Beteiligungsquote ein (z.B. Kapitalerhöhung, bei der jeder seinen Anteil einbringt), erhält niemand einen unentgeltlichen Vorteil gegenüber den anderen. Hier tritt keine einseitige Wertverschiebung ein, die § 7 Abs. 8 ErbStG auslösen würde. Jeder erhöht seinen Anteil im gleichen Verhältnis, sodass kein „Beschenkter“ vorhanden ist.
Für Unternehmer heißt das: Fairness und Marktüblichkeit schützen vor Schenkungsteuer. Wer Einlagen oder Anteilsgeschäfte zu marktnahen Konditionen vornimmt, braucht diese Sondervorschrift in der Regel nicht zu fürchten.
Warum der Verschonungsabschlag nicht greift
Besondere Aufmerksamkeit verdient noch ein Punkt: Die üblichen Steuervergünstigungen für Betriebsvermögen (§§ 13a, 13b ErbStG) gelten in diesen Fällen nicht. Normalerweise wird die Übertragung von Betriebsvermögen (wie GmbH-Geschäftsanteilen) durch den sog. Verschonungsabschlag weitgehend von der Erbschaft- und Schenkungsteuer freigestellt. Doch diese Begünstigung greift nur, wenn tatsächlich Anteile am Unternehmen verschenkt oder vererbt werden (z.B. 100 % der GmbH-Anteile oder ein maßgeblicher Anteil daran). Bei der hier betrachteten Konstellation ist nicht der Geschäftsanteil selbst Gegenstand der Schenkung, sondern lediglich dessen Wertsteigerung. Der BFH stellte klar, dass ein solcher indirekter Vorteil kein begünstigtes Betriebsvermögen im Sinne der §§ 13a, 13b ErbStG darstellt. Das bedeutet: Sollte Schenkungsteuer anfallen, steht kein Verschonungsabschlag zur Verfügung – die Steuer ist in voller Höhe zu zahlen. Unternehmer sollten dies bei Planungen berücksichtigen, da man nicht auf die sonst für Firmenschenkungen üblichen Steuererleichterungen bauen kann.
Fazit: Praktische Tipps für Unternehmer und Gesellschafter
Der Erwerb eigener Anteile durch die GmbH kann in bestimmten Fällen eine steuerpflichtige Schenkung an die übrigen Anteilseigner darstellen. Als Unternehmer oder Gesellschafter sollten Sie bei Unternehmensumstrukturierungen, Gesellschafterwechseln oder „freundschaftlichen“ Anteilskäufen stets den gemeinen Wert der Anteile im Blick haben. Unter Marktwert zu verkaufen oder Werte einseitig einzubringen kann ungewollte Schenkungsteuer auslösen. Um auf der sicheren Seite zu sein:
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Marktgerecht handeln: Lassen Sie im Zweifel den Unternehmenswert gutachterlich bestimmen, um einen angemessenen Preis festzulegen. So vermeiden Sie ein offensichtliches Missverhältnis.
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Steuerfachkundigen Rat einholen: Die Regelung des § 7 Abs. 8 ErbStG ist komplex. Eine Beratung kann helfen, Fallstricke zu erkennen und Modelle zu finden, bei denen keine unentgeltliche Wertverschiebung entsteht.
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Dokumentation: Halten Sie fest, warum eine Gegenleistung angemessen ist. Wenn alle Beteiligten nachweislich von einem fairen Geschäft ausgehen, stehen die Chancen gut, dass keine Schenkung angenommen wird.
Durch bewusste Planung und Bewertung können Sie verhindern, dass gut gemeinte Deals unter Gesellschaftern zu teuren steuerlichen Überraschungen führen. So bleibt die Unternehmensstrukturierung schenkungsteuerfrei – und Sie ersparen sich und Ihren Mitgesellschaftern unnötige Steuerlasten.
Hinweis zur Genossenschaft
§ 7 Abs. 8 ErbStG gilt auch für Genossenschaften. Unter Zeichnung von Genossenschaftsanteilen und Ausschluss eines Mitglieds aus der Genossenschaft haben wir 2 Beispiele zur Schenkungssteuer formuliert.
Hinweis:
Weitere Abhandlungen zur Schenkungssteuer finden sich
zu Werterhöhung von Genossenschaftsanteilen und
zu Vorstandshaftung .