Der BGH behandelte in seinem Urteil vom 2. Juli 2019 – II ZR 406/19 Rechtsprobleme um den Aufsichtsrat in einer GmbH.
Der Fall
Im Gesellschaftsvertrag der GmbH fand sich in „§ 9 Aufsichtsrat“ folgende Regelungen:
(1) Die Gesellschafter können beschließen, dass die Gesellschaft einen aus drei oder sechs Mitgliedern bestehenden Aufsichtsrat erhält.
(2) Auf den Aufsichtsrat finden § 52 Abs. 1 GmbHG und die dort genannten aktienrechtlichen Bestimmungen nur Anwendung, falls und soweit die Gesellschafter dies mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen beschließen.
(3) Der Aufsichtsrat überwacht die Geschäftsführung. Die Gesellschafter können dem Aufsichtsrat durch Beschluss weitere Aufgaben und Befugnisse zuweisen, insbesondere das Recht gewähren, Geschäftsführer zu bestellen und abzuberufen, Anstellungsverträge mit diesen abzuschließen, zu ändern und zu beendigen, Geschäftsführer zu ermächtigen, die Gesellschaft allein zu vertreten, eine Geschäftsordnung für die Geschäftsführer festzulegen und diesen Weisungen zu erteilen.
(4) Die Gesellschafter können jederzeit beschließen, dass durch Gesellschaftsbeschluss gemäß Absatz 2 für anwendbar erklärte aktienrechtliche Bestimmungen keine Anwendung mehr finden oder dass dem Aufsichtsrat Aufgaben und Befugnisse, die ihm gemäß Absatz 3 durch Gesellschafterbeschluss zugewiesen wurden, nicht weiter zustehen.
Der Gesellschaftsvertrag der GmbH enthält weitere, den Aufsichtsrat betreffende Bestimmungen:
§ 6 Geschäftsführer
…
(2) Die Geschäftsführer werden durch Gesellschafterbeschluss oder, soweit der Aufsichtsrat durch Gesellschafterbeschluss gemäß § 9 Abs. 3 ermächtigt ist, durch den Aufsichtsrat bestellt oder abberufen.
§ 7 Geschäftsführung
(1) Die Geschäftsführer sind verpflichtet, die Geschäfte der Gesellschaft in Übereinstimmung mit dem Gesetz, diesem Gesellschaftsvertrag … sowie den Beschlüssen der Gesellschafter oder des Aufsichtsrates – soweit dieser gemäß § 9 Abs. 3 zur Erteilung von Weisungen ermächtigt ist – zu führen.
§ 8 Vertretung
(1) Die Gesellschaft wird durch einen Geschäftsführer allein vertreten, wenn er alleiniger Geschäftsführer ist oder wenn die Gesellschafter ihn zur Alleinvertretungsberechtigung ermächtigt haben. Die Gesellschafter oder der Aufsichtsrat, falls er gemäß § 9 Abs. 3 hierzu ermächtigt ist, können für die Geschäftsführer eine Geschäftsordnung beschließen, die auch Abweichungen von den Bestimmungen dieses Absatzesvorsehen kann.
(2) Die Gesellschafter können einen Geschäftsführer durch Gesellschafterbeschluss von den Beschränkungen des § 181 BGB befreien.
Die Urteilsbegründung des BGH
Der BGH wiederholte den Grundsatz, dass ein Aufsichtsrat im Prozess mit einem Geschäftsführer die GmbH gemäß § 52 Abs. 1 GmbHG , § 112 AktG vertritt, es sei den, der Gesellschaftsvertrag der GmbH regelt etwas anderes und der Aufsichtsrat wurde nicht nach dem Mitbestimmungsgesetz gebildet (fakultativer Aufsichtsrat).
Ein Aufsichtsrat einer GmbH ist mit einfacher Stimmenmehrheit wirksam eingerichtet, wenn eine diesbezügliche Öffnungsklausel im Gesellschaftsvertrag vorhanden ist. Eine Satzungsänderung liegt in diesem Fall nicht vor; einer notariellen Beurkundung der Errichtung eines Aufsichtsrats bedarf es in diesem Fall ebenso nicht wie der Eintragung in das Handelsregister. Die Ermächtigung zur Installierung eines Aufsichtsrats im Gesellschaftsvertrag muss lediglich hinreichend bestimmt sein und darf nicht gegen das Gesetz oder den Gesellschaftsvertrag verstoßen. Die Gesellschafter haben ein anerkanntes Interesse auf eine flexible Satzungsgestaltung und können den Struktureingriff durch die Öffnungsklausel vorwegnehmen. Die mit der Errichtung des Aufsichtsrats festgelegten Kompetenzen sind von der Öffnungsklausel des § 9 des Gesellschaftsvertrags gedeckt.
Unsere Anmerkungen zum Urteil des BGH
Das Urteil und seine Begründung zur wirksamen Errichtung eines Aufsichtsrats einer GmbH aufgrund einer Öffnungsklausel im Gesellschaftsvertrag ist nicht zu beanstanden.
Ergänzende Rechtsausführungen im Urteil des BGH
Der BGH äußert sich im Urteil außerdem zur Vertretungsbefugnis eines Geschäftsführers in Prozessen gegen einen Geschäftsführer und zur Bestellung eines besonderen Vertreters, § 46 Nr. 8, 2. Alt.GmbHG.
Der BGH wiederholt mehrfach seine Rechtsprechung zur Wirkung der Feststellung eines Beschlussergebnisses durch den Versammlungsleiter. Danach ist der Beschluss mit dem festgestellten Inhalt vorläufig verbindlich und kann durch eine Anfechtungsklage, § 243 AktG analog, angegriffen werden.
Der BGH festigt die grundsätzliche Fiktionswirkung der Liste der Gesellschafter, § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG. Gibt es z.B. keine entgegenstehende einstweilige Verfügung, greift die Vermutung der Gesellschafterliste. Die in der Gesellschafterliste aufgeführte Person ist formal Gesellschafter mit allen Rechten und Pflichten, der dort nicht Eingetragene gilt nicht als Gesellschafter der GmbH und ihn treffen insoweit weder Rechte noch Pflichten, sog. negative Legitimationswirkung. Auf die tatsächliche Eigentumslage der Beteiligung kommt es dabei nicht an.
Die Auswirkung einer Teilnichtigkeit von Beschlüssen wird im Urteil ausführlich behandelt.
Ausführlich bezog der BGH im Urteil Stellung zur Liste der Gesellschafter.
Wir empfehlen
Die Aufnahme einer Öffnungsklausel im Gesellschaftsvertrag setzt eine sorgfältige Aufnahme der Ziele der Gesellschafter im Zusammenhang mit der Bildung eines Aufsichtsrats voraus.
Die konkrete Ermächtigung zur Errichtung des Aufsichtsrats ist im Gesellschaftsvertrag bestimmbar zu formulieren.
Die konkrete Bestellung eines Aufsichtsrats muss sich an den Ermächtigungsrahmen laut Satzung halten.
Hinweis: Wir diskutieren die Probleme zur Gesellschafterliste in unserem Beitrag „Neues zur Gesellschafterliste einer GmbH“
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