Das OLG Brandenburg hatte über eine Zwangseinziehung von Geschäftsanteilen zu entscheiden, wobei die eingezogenen Geschäftsanteile nicht in der Gesellschafterliste der GmbH aufgeführt waren.

Der Fall

(stark vereinfacht)

In der beim Handelsregister des Amtsgerichts hinterlegten Gesellschafterliste (§ 40 GmbHG) wurde formal der A als alleiniger Gesellschafter der B-GmbH aufgeführt. Es bestand Streit, ob der frühere Gesellschafter C nach einer Einziehung seiner Geschäftsanteile an der B-GmbH materiell noch Gesellschafter der B-GmbH ist.

In einer folgenden Gesellschafterversammlung der B-GmbH wurden die „Geschäftsanteile des C“  nochmals eingezogen (§ 34 GmbHG), obwohl sie nicht mehr in der Gesellschafterliste der B-GmbH aufgeführt waren. Gegen die Einziehung wehrte sich der C erneut vor Gericht.

Das Urteil

Die erneute Einziehung der „Geschäftsanteile des C“ ist unwirksam, da die Geschäftsanteile des C im Zeitpunkt der erneuten Einziehung nicht in der Gesellschafterliste der B-GmbH aufgeführt waren. Damit gehörte C nicht zum gültigen Kreis der Gesellschafter. Ein im Verhältnis zur Gesellschaft nicht existierender Geschäftsanteil kann nicht eingezogen werden. Die diesbezügliche Beschlussfassung ist schlicht gegenstandslos.

Denn gemäß § 16 Abs. 1 GmbHG gilt im Verhältnis zur Gesellschaft im Fall einer Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung als Inhaber eines Geschäftsanteils nur, wer als solcher in der in das Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist. Dies war bei C nicht der Fall, weil C nicht mehr als Gesellschafter in der Liste eingetragen war.

„Die in § 16 Abs. 1 GmbHG festgelegte Wirkung der Gesellschafterliste gilt nicht nur bei einer Übertragung von Geschäftsanteilen, sondern auch im Fall der Einziehung (BGH, Urt. v. 20.11.2018 – II ZR 12/17 Rz. 25 …).“

Ausnahmen von diesen Grundsätzen,

– wenn ein (ehemaliger) Gesellschafter sich gegen den die Einziehung betreffenden Beschluss wendet,

– wenn die Liste der Gesellschaft nicht zurechenbar ist, weil z.B. ein Geschäftsunfähiger oder ein beschränkt Geschäftsfähiger als Geschäftsführer gehandelt hat, ein Fall der Fälschung oder (der) vis absoluta vorliegt,

– wenn Treu und Glauben der Berufung auf die Legitimationswirkung der Gesellschafterliste entgegenstehen, z.B., wenn der Gesellschaft gerichtlich untersagt worden ist, nach einer Einziehung eine geänderte Liste einzureichen und sie dieser Anordnung zuwider gehandelt hat, indem sie dennoch eine geänderte Liste eingereicht oder eine bereits in das Handelsregister aufgenommene Liste nicht korrigiert oder

– wenn die Begründung oder Aufrechterhaltung der formellen Rechtsposition durch unredliches Verhalten als unzulässige Rechtsausübung qualifiziert werden kann; z.B. wenn ein fälliger Anspruch auf Änderung der Liste gegen die Gesellschaft besteht und der Geschäftsführer die Einreichung der Liste bewusst verzögert,

liegen nicht vor.

Der gefasste Beschluss ist wirkungslos (vgl. auch OLG Bremen, Urt. v. 21.10.2011 – 2 U 43/11), da er mit dem Wesen der Gesellschaft nicht vereinbar ist, § 241 Nr. 3 AktG analog. Ein Geschäftsanteil einer Person, die ausweislich der Liste nicht mehr Gesellschafter ist, kann nicht eingezogen werden.

Unsere Rechtsauffassung

Das Urteil stellt auf eine strenge Auslegung des § 16 Abs. 1 GmbHG ab. Nur wer in der Liste der Gesellschafter einer GmbH eingetragen ist, ist im Verhältnis zur GmbH formal (was im Sinne von § 16 Abs. 1 GmbHG entscheidend ist) Gesellschafter der GmbH. § 16 Abs. 1 GmbHG dient der Klarheit im Umgang untereinander, also im Verhältnis zwischen den Gesellschaftern untereinander oder im Verhältnis zur Gesellschaft.

Die formale Gesellschafterstellung unterscheidet sich von der materiellen, der wirtschaftlichen Gesellschafterstellung. Stimmen formaler und materieller Gesellschafter nicht überein, muss der materielle Gesellschafter selbst dafür sorgen, in die Liste der Gesellschafter aufgenommen zu werden.

Gesellschafterrechte (Stimmrechte, Ausschüttungsrechte etc.) kann nur der formale Gesellschafter in Anspruch nehmen. Der wirtschaftliche Gesellschafter ist für die GmbH grundsätzlich ein „Nullum“. Folglich kann ein „Nullum“ auch nicht aus der GmbH ausgeschlossen werden.

Die Entscheidung des Gerichts ist richtig. Allerdings wird es grundsätzlich keine weiteren strittigen Ausschlüsse von einem Gesellschafter mehr geben, wenn er nicht mehr Listengesellschafter ist, nachträglich aber neue zum Ausschluss berechtigte Gründe zu Tage treten. Offen ist, wie die neuen wichtigen Gründe „eingefroren“ werden können.

Spannende Frage

In unserer Kanzlei vertreten wir eine GmbH, die ebenso eine „Zweiteinziehung“ gegen einen bereits aus der Liste der Gesellschafter gelöschten früheren Gesellschafter beschloss. Grundsätzlich ist die Einziehung nach dem oben beschriebenen Urteil gegenstandslos. Allerdings weicht unser Fall insoweit ab, dass der ausgeschlossene, nicht mehr in der Gesellschafterliste aufgenommene Gesellschafter im Rahmen vorläufigen Rechtsschutzes eine Verfügung des Gerichts erstritt, wonach er bis zur Entscheidung in der Hauptsache wie ein Gesellschafter zu behandeln ist (Fiktion). Im Zeitpunkt der „Zweiteinziehung“ war der „gelöschte Gesellschafter“ wie ein Gesellschafter zu behandeln. Die einstweilige Verfügung war selbstverständlich falsch und wurde später auch aufgehoben. Gleichwohl hatte die GmbH sie im Zeitpunkt der Beschlussfassung zu respektieren.

Wir dürfen gespannt sein, wie die Gerichte über diesen Fall befinden.

Das Urteil des Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 21. August 2019 – 7 U 169/18 ist hier nachzulesen.
Frank Löffler
Frank LöfflerRechtsanwalt
Frank Löffler ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Fachanwalt für Steuerrecht und der Kanzleiinhaber.