Ein GmbH-Geschäftsführer gab eine Zahlung einer – von ihm erkannten – fingierten Forderung frei, um damit eine Provisionsabrede zu honorieren. Er verstieß zugleich gegen unternehmensinterne Compliance-Vorschriften über zustimmungsbedürftige Geschäfte. Dem Geschäftsführer wurde nach Abschluss der Ermittlungen und der daraufhin stattfindenden Gesellschafterversammlung sein Anstellungsverhältnis fristlos gekündigt.
Das Urteil des OLG Hamm
Der außerordentlichen Kündigung des Anstellungsvertrags lag ein wichtiger Grund iSd § 626 Abs. 1 BGB zur Seite.
Wichtiger Grund nach § 626 Abs. 1 BGB
Die Zahlungsfreigabe für die Provision erfüllte mehrere Verstöße, die jeder für sich genommen schon einen wichtigen Grund abdeckten, also
– die Zahlung auf eine nicht bestehende Forderung,
– die nicht autorisierte Honorierung einer Compliance-widrigen Provisionsabrede,
– deren Verschleierung sowie
– die Verletzung des besonderen Vertrauensverhältnisses des Geschäftsführers zur Gesellschaft.
Kollusives Zusammenwirken mit Mitgeschäftsführer
Den Geschäftsführer entlastete auch nicht die Annahme, sein Mitgeschäftsführer habe das Vorgehen gebilligt. Eine Kommunikation über Klebezettel ist unzuverlässig und kann eine erkennbare Pflichtwidrigkeit nicht legitimieren. Der Geschäftsführer kann sich nicht darauf berufen, dass sein Mitgeschäftsführer die Zahlung gebilligt hat, da ein kollusives Zusammenwirken über nicht dispositive Regelungen ebenfalls pflichtwidrig ist. Auch wenn der Geschäftsführer Unterlagen im konkreten Fall nicht sorgfältig las, stellte dies für sich genommen eine grobe Pflichtverletzung dar.
Keine Abmahnung erforderlich
Die Kündigung aus wichtigem Grund wegen gravierender Compliance-Verstöße eines Geschäftsführers setzt keine Abmahnung voraus, weil es sich um einen Geschäftsführerdienstvertrag handelt.
Beginn der Einberufungsfrist für die Gesellschafterversammlung der GmbH
Die Einberufung der für die Beschlussfassung über die Kündigung zuständigen Gesellschafterversammlung wird nicht unangemessen verzögert, wenn zur Aufklärung des Sachverhalts die konzerneigene Compliance-Abteilung eingeschaltet und dadurch eine Einarbeitungszeit erforderlich wird, § 626 Abs. 2 BGB. Es ist ein Gebot umsichtiger Ermittlungen, diese sorgfältig vorzubereiten und zu organisieren.
Eine Frist von 10 Wochen bis zur Abhaltung der Gesellschafterversammlung kann noch akzeptabel sein, wenn sich etwa wegen Urlaubs und dienstlicher Abwesenheit die beabsichtigte zeitgleiche Befragung mehrerer Personen verzögert und sich aus den Befragungen weiterer Ermittlungsbedarf ergibt.
Unsere Anmerkungen
Das Urteil hebt die Bedeutung von Compliance-Regelwerken in Unternehmen. An einen Geschäftsführer sind wegen seiner Vorbildfunktion an die Beachtung von Compliance-Vorschriften höhere Anforderungen zu stellen, als an andere Mitarbeiter („tone of the top“).
Das OLG Hamm machte deutlich, dass der Verstoß gegen „nur“ eine Compliance-Vorschrift die fristlose Kündigung des Dienstverhältnisses rechtfertigte.
Ein fehlender materieller Schaden der Gesellschaft konnte den Geschäftsführer nicht entlasten.
Das Urteil festigt die zunehmende Bedeutung von Compliance-Vorschriften für die Unternehmen, aus denen sich entsprechende strenge Verhaltenspflichten für die Mitarbeiter und erst recht für die Organe ableiten. Auch ein Handeln im vermeintlichen wirtschaftlichen Interesse der Gesellschaft oder die Kenntnis anderer Verantwortlicher ist nicht geeignet, Compliance-Verstöße zu rechtfertigen.
Eine lückenlose Aufklärung der Vorwürfe „schlägt“ die 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB, in dem diese erst nach Durchführung einer angemessenen Untersuchung des Sachverhalts durch die Gesellschaft zu laufen beginnt. Es ist aber darauf zu achten, dass die internen Ermittlungen in gebotener Eile erfolgen. Nicht zu beanstanden ist danach, dass die Compliance-Abteilung sich dazu entschloss, die Beteiligten nach Möglichkeit an einem Tag zu befragen, wodurch es aufgrund von urlaubsbedingten Abwesenheiten und Dienstreisen zu einer zeitlichen Verzögerung der Befragungen kam. Eine einwöchige Einarbeitungsphase der Compliance-Abteilung ist angemessen.
Es ist nur Aufgabe des Gerichts, im Nachhinein zu prüfen, ob insgesamt eine unangemessene Verzögerung hinsichtlich der Sachverhaltsaufklärung vorliegt.
Wir empfehlen den Verantwortlichen auf Unternehmensseite dennoch, auf eine nachvollziehbare Begründbarkeit und eine möglichst rasche Abfolge der Ermittlungsschritte zu achten, um insoweit unnötige rechtliche Risiken zu vermeiden.
Thüringen, 2020
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