Das OLG Hamm hatte über die Hinterlegung einer von einem Notar mit Bescheinigung nach § 40 Abs. 2 GmbHG eingereichten Gesellschafterliste im Dokumentenordner des Handelsregisters des Amtsgerichts P zu entscheiden.
Der Fall
1.
A und B waren an der C-GmbH jeweils zu 50% beteiligt.
A beabsichtigte, seine Geschäftsanteile an der C-GmbH erstmalig zu veräußern.
Das Angebot des A an B zum Kauf der Geschäftsanteile zu den in dem Gesellschaftsvertrag der C-GmbH abschließend geregelten Bedingungen, insbesondere zu der Berechnung des Kaufpreises lehnte der B als zu teuer ab.
B bemerkte, dass A seine Geschäftsanteile an einen Dritten zu verkaufen beabsichtigte. B ließ als Geschäftsführer der C-GmbH über den Anwalt der C-GmbH eine Schutzschrift „ins Blaue“ an das Handelsregister der C-GmbH senden. Die Schutzschrift enthielt den Hinweis, dass eine neue Gesellschafterliste der C-GmbH nach einem Verkauf der Geschäftsanteile des A an einen unbekannten Dritten zurückzuweisen ist, weil die Auslegung des Gesellschaftsvertrags der C-GmbH ergebe, dass die Übertragung der Geschäftsanteile der Zustimmung des B bedürfe, die B nicht erteilen wird.
A verkaufte und übertrug ca. zwei Monate nach Eingang der Schutzschrift beim Handelsregister seine Geschaftsanteile an der C-GmbH an den D.
2.
Die Regelung über die Verfügung von Geschäftsanteilen in § 9 des Gesellschaftsvertrags der C-GmbH hat folgenden Wortlaut:
Ziff. 1
(Anbietungspflicht)
,,1. Soweit ein Gesellschafter beabsichtigt seinen Geschäftsanteil ganz oder teilweise zu veräußern, ist er zunächst verpflichtet, den zu veräußernden Gescháftsanteil den Mitgesellschaftern … zum Kauf anzubieten, ….“
(Kaufpreis und Andienungsverfahren)
,,Der Ankaufspreis berechnet sich gem. § 11 dieses Vertrages. Der eine Veräußerung beabsichtigende Gesellschafter ist verpflichtet, seine Mitgesellschafter schriftlich von seiner Verkaufsabsicht zu unterrichten. Das Ankaufrecht entfällt, wenn nicht innerhalb von 3 Monaten nach Unterrichtung ebenfalls schriftlich dem anbietenden Gesellschafter die Absicht zum Erwerb mitgeteilt wird.“
(Veräußerungsfreigabe)
,,Soweit keiner der Mitgesellschafter einen Erwerb beabsichtigt, kann eine anderweitige Veräußerung erfolgen. Dieses Regelung gilt nicht für den Fall der erstmaligen Übertragung des Geschäftsanteits ganz oder teitweise durch die Gesellschafter X und A bzw. bei einer Übertragung auf Ehepartner.“
Ziff. 2
(Zustimmungserfordernis)
,,2. Die Veräußerung und Verpfändung von Gesellschaftsanteilen oder Teilen von Geschäftsanteilen bedarf im Übrigen der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter.“
3.
Der beurkundende Notar reichte nach dem Verkauf und der Übertragung der Geschäftsanteile an der C-GmbH durch A an den D die neue Gesellschafterliste mit Bescheinigung nach § 40 Abs. 2 GmbHG an das Handelsregister des Amtsgerichts P ein.
Das Handelsregister des Amtsgerichts P reagierte auf die neue Gesellschafterliste zunächst ohne Kenntnis des A oder des D mit einem ersten Schreiben (nur, also heimlich) an die C-GmbH mit folgendem Inhalt:
„Die Liste der Gesellschafter … ist nicht offenkundig unrichtig, grundsätzlich kann daher die Aufnahme der Liste in den Registerordner nicht abgelehnt werden.“
Das Registergericht empfahl der C-GmbH im selben Schreiben:
„… wird Ihnen hiermit aufgegeben, binnen einer Frist von 1 Monat ab Zugang dieser Verfügung gemäß § 16 Absatz 3 Satz 4 GmbHG einen Widerspruch gegen die Liste der Gesellschafter … nebst einer Zuordnung des Widerspruchs erforderlichen entsprechenden einstweiligen Verfügung … einzureichen. In diesem Fall kann die Aufnahme der Liste … gleichzeitig mit der Zuordnung des Widerspruchs erfolgen und einen gutgläubigen Erwerb somit verhindern.“
Nach 4 Wochen Untätigkeit des Handelsregisters trotz regelmäßiger Nachfrage durch den Notar wies das Handelsregister die neu eingereichte Gesellschafterliste des Notars zurück. Es argumentierte in verschiedenen Schreiben:
„Die begründeten Zweifel des Registergerichts an der inhaltlichen Unrichtigkeit der eingereichten Liste … sind somit nicht ausgeräumt und das Registergericht hat folglich die Aufnahme der Liste … in den Registerordner zurückzuweisen, da es nicht wissentlich an der Schaffung eines falschen Rechtsscheins mitwirken darf und damit möglicherweise im Hinblick auf die Aufnahme der Liste eintretende Legitimations- und Rechtsscheinswirkung die Grundlage für Schädigungen Dritter oder von Gesellschaftern schaffen darf.“
„Das Registergericht hat grundsätzlich nur eine rudimentäre Prüfungspflicht hinsichtlich der Anforderungen gemäß § 40 GmbHG. … Das Registergericht kann die Aufnahme der Gesellschafterliste zum Registerordner dann verweigern, wenn es sichere Kenntnis oder begründete Zweifel an der inhaltlichen Unrichtigkeit der eingereichten Liste hat.
„Vorliegend entspricht die Liste der Gesellschafter … zwar den formalen Anforderungen gemäß § 40 GmbHG, jedoch liegt eine Schutzschrift … vor, die begründete Zweifel an der Richtigkeit der Liste der Gesellschafter begründen.“
Das Amtsgericht P sagte nicht, welche Zweifel es hatte. Es informierte weder A noch D über das erste Schreiben nur an die C-GmbH.
A und D reichten Beschwerde gegen die Zurückweisung der Gesellschafterliste ein. Zufällig erlangten A und D Kenntnis von dem Schreiben des Amtsgericht P an die C-GmbH.
Der Beschluss des OLG Hamm
Das OLG unterschied in seinem Beschluss sehr klar zwischen formellen und materiellen Mängeln einer Gesellschafterliste.
Da formelle Mängel (z.B. fehlende Unterschrift des Notars) nicht gegeben waren, konzentrierte sich das Gericht auf die Frage, ob das die Gesellschafterliste nur verwahrende Handelsregister die Gesellschafterliste vor Hinterlegung in den Dokumentenordner materiell, also inhaltlich auf Richtigkeit prüfen durfte.
Richtigerweise zeigte das OLG Hamm insoweit auf, dass einem Handelsregister
– grundsätzlich kein materielles Prüfungsrecht zusteht, also die Gesellschafterliste ungeprüft zu hinterlegen hat,
– allerdings als besondere Ausnahme (nur begrenztes materielles Prüfungsrecht) die Gesellschafterliste aus materiellen Gründen nach Prüfung zurückweisen darf, „wenn es sichere Kenntnis von der inhaltlichen Unrichtigkeit der eingereichten Liste hat“.
Das OLG Hamm, Beschluss vom 17.03.2020 – I-27 W 18/20 stellte ebenso zutreffend fest, dass eine streitige Satzungsauslegung über die Frage, ob nach § 9 des Gesellschaftsvertrags der C-GmbH eine Zustimmung für die Übertragung der Geschäftsanteile von A an D eine Zustimmung des B erforderlich ist, ein (nur begrenztes) materielles Prüfungsrecht nicht erlaubt.
Danach ist die Gesellschafterliste im Handelsregister zu hinterlegen. Ein Streit über die Wirksamkeit der Übertragung der Geschäftsanteile ist nicht vor dem Handelsregister zu führen, bei dem Rechtspfleger entscheiden. Dafür sind die Landgerichte zuständig.
Unsere Anmerkungen
Sämtliche Beteiligte der Seite A und D waren – ganz vorsichtig formuliert – irritiert über das Verhalten des Handelsregisters des Amtsgericht P. Zunächst wurde heimlich zwischen der der C-GmbH und dem Handelsregister schriftlich korrespondiert, also an A und D vorbei. Was mündlich zwischen der C-GmbH und dem Handelsregister besprochen wurde, konnte nicht mehr aufgeklärt werden.
Das Handelsregister teilte der C-GmbH heimlich mit, dass es die neue Gesellschafterliste nicht zurückweisen könne:
„Die Liste der Gesellschafter … ist nicht offenkundig unrichtig, grundsätzlich kann daher die Aufnahme der Liste in den Registerordner nicht abgelehnt werden.“
Später wies das Handelsregister die Gesellschafterliste mit der Begründung zurück:
„Vorliegend entspricht die Liste der Gesellschafter … zwar den formalen Anforderungen gemäß § 40 GmbHG, jedoch liegt eine Schutzschrift … vor, die begründete Zweifel an der Richtigkeit der Liste der Gesellschafter begründen.“
Der Gipfel ist die Empfehlung des Handelsregisters an die C-GmbH, sie möge einen Widerspruch nach § 16 GmbHG im Wege der einstweiligen Verfügung beibringen. Diese Empfehlung zeigt, dass das Handelsregister an dieser Stelle fehlbesetzt ist:
– Das Handelsregister ist für solche Hinweise und Forderungen nicht zuständig;
– die C-GmbH ist für die Beibringung eines Widerspruchs nach § 16 GmbHG gänzlich ungeeignet, auch der B;
– das Handelsregister handelte widersprüchlich und bösgläubig.
Die streitenden Parteien hatten einen erheblichen Mehraufwand durch die erforderliche Beratung ihrer Anwälte im Beschwerdeverfahren. In der Privatwirtschaft haftet man wegen solchen eklatanten Pflichtverletzungen, wie sie das Handelsregister des Amtsgericht P zeigte. In der Justiz ist oft ein sorgloser Umgang in der Fallbearbeitung zu beobachten. Eine Haftung des Verursachers der Schäden ist selten zu befürchten.
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