Earn-Out-Klauseln in Unternehmenskaufverträgen
Im Rahmen von Unternehmenskaufverträgen stellt es naturgemäß eine besondere Schwierigkeit dar, einen Kaufpreis zu vereinbaren, den sowohl die Verkäufer- als auch die Käuferseite für angemessen erachtet. Vielfach scheitern Unternehmensverkäufe deshalb mangels Einigung über den Kaufpreis. Eine Möglichkeit diesen Konflikt im Rahmen der Verhandlungen über einen Unternehmensverkauf aufzulösen können sogenannte Earn-Out-Klauseln sein. Der
nachfolgende Beitrag soll einen ausschnittsweisen Einblick in diese Thematik vermitteln.
Warum werden Earn-Out-Klauseln verwendet?
Oftmals stehen sich bei den Verhandlungen über einen Unternehmenskaufvertrag im Rahmen der Kaufpreisfindung erheblich abweichende Vorstellungen über den Kaufpreis gegenüber. Der Käufer will einen möglichst niedrigen Kaufpreis bezahlen, wohingegen der Verkäufer das entgegengesetzte Interesse hat. Diese unterschiedlichen Interessen werden auch dadurch bestärkt, da im Regelfall auch über die Grundlagen für die Ermittlung des korrekten Unternehmenswerts (z.B.:
- Wachstumsprognose,
- zukünftige Umsatz- und Ertragsentwicklungen,
- Investitionsbedarf,
- Marktposition / Wettbewerbsumfeld)
unterschiedliche Vorstellungen bestehen.
Eine Möglichkeit wäre es, wenn sich die Parteien hinsichtlich des Kaufpreises in der Mitte treffen. Allerdings führt diese Möglichkeit – abseits von ihrer Rechtssicherheit – in den meisten Fällen nicht zu angemessenen Ergebnissen, da eine Partei dadurch im Regelfall benachteiligt wird.
An diesem Punkt kommen Earn-Out-Klauseln in Betracht und es sollte zwischen den Parteien diskutiert werden, ob eine solche Regelung im Unternehmenskaufvertrag aufgenommen werden soll. Earn-Out-Klauseln können in dem dargestellten Konfliktfall für eine differenziertere Ausgestaltung des Kaufpreises sorgen und die Interessen beider Parteien im Kaufvertrag abbilden.
Was sind Earn-Out-Klauseln?
Im Rahmen von Earn-Out-Klauseln wird der Kaufpreis im Unternehmenskaufvertrag folgendermaßen ausgestaltet:
- Ein Grundbetrag des Kaufpreises wird durch den Käufer sofort im Rahmen der Übertragung des Unternehmens an den Verkäufer bezahlt.
- Ein zweiter Kaufpreisanteil (Earn-Out) wird erst nach einem festgelegten Zeitraum fällig, wenn innerhalb dieses Zeitraum bestimmte, vorher vereinbarte, Zielgrößen (Erwartungen an den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens) erfüllt werden.
Der Grundbetrag wird sich dabei im Regelfall an den ursprünglichen Preisvorstellungen des Klägers orientieren.
Damit ist der Käufer aus seiner Sicht geschützt, da er das Unternehmen zunächst für den von ihm als angemessen betrachteten Kaufpreis erhält.
Der zweite Kaufpreisanteil (Earn-Out) wird in der weiteren Folge nur fällig, wenn das Unternehmen nach dem Verkauf wirtschaftlich erfolgreich ist und die vertraglich festgelegten Erwartungen innerhalb des vereinbarten Zeitraums (i.d.R. 2 – 5 Geschäftsjahre nach Verkauf) erfüllt werden. Wenn dies der Fall ist, dann bestätigt sich die Sichtweise des Verkäufers und ein höherer Kaufpreis ist gerechtfertigt. Der Käufer ist dann auf Grund des Unternehmenserfolgs auch dazu bereit diesen höheren Kaufpreis zu bezahlen.
Welche Zielgrößen können im Rahmen der Earn-Out-Regelungen für die Bewertung des wirtschaftlichen Erfolgs der verkauften Unternehmens herangezogen werden?
Grundsätzlich sind die Parteien frei in der Vereinbarung der Zielgrößen, die einer Earn-Out-Klausel zu Grunde liegen.
Grundsätzlich eignen sich zum Beispiel die folgenden Parameter (ggfs. in Kombination) des verkauften Unternehmens:
- Umsatz
- Jahresüberschuss / Bilanzgewinn
- EBIT
- EBITDA
- Cashflow
- Eingang bestimmter Aufträge
- Anzahl Neukunden
- Erlangung von Patenten
Die Parameter können je nach Branche und verkauften Unternehmen unterschiedlich sein und sind stets anhand einer Einzelfallbetrachtung auszuwählen.
Aus welchen Gründen kann es im Rahmen von Earn-Out-Klauseln zu
Konflikten kommen?
Es sind verschiedene Gründe ersichtlich, aus denen Earn-Out-Klauseln streitanfällig sind. Nachfolgend stellen wir einige Aspekte dar, auf Grund derer es im Rahmen von Earn-Out-Klauseln zu Streitigkeiten kommen kann. Eine umfassende und erfahrene rechtliche Beratung ist zwingend, wenn solche Klauseln in Unternehmenskaufverträgen vereinbart werden sollen.
Kurzfristiger vs. Langfristiger Unternehmenserfolg
Zum einen erzeugen Earn-Out-Klauseln einen Interessengegensatz zwischen Käufer und Verkäufer nachdem das Unternehmen auf den Käufer übergegangen ist. Der Verkäufer ist daran interessiert, dass die vereinbarten Zielgrößen erreicht werden, damit es nach Ablauf des vereinbarten Zeitraums zur (vollständigen) Auszahlung des vereinbarten Earn-Outs kommt.
Dagegen hat der Käufer das Interesse keine weitere Zahlung an den Verkäufer vornehmen zu müssen. Der Käufer kann den Eintritt des Earn-Outs – je nach relevanter Zielgröße – durch seine unternehmerische Leitung des verkauften
Unternehmens steuern. Wenn die vereinbarte Zielgröße sich z.B. nach dem Jahresüberschuss richtet kann der Käufer den Gewinn in Geschäftsjahre „verschieben“, die nicht mehr in den für den Earn-Out relevanten Zeitraum fallen. Dies ist z.B. durch Investitionen, Marketingkampagnen oder Umstrukturierungen möglich. Dabei muss das soeben beschriebene „Verschieben“ eines Jahresüberschusses in nichtmehr Earn-Out relevante Geschäftsjahre nicht mal zwingend auf der (bösen) Absicht des Käufers beruhen den Verkäufer um seinen Earn-Out Anspruch zu bringen.
Der Käufer hat nach dem Kauf im Regelfall ein Interesse am mittel- bis langfristigen Unternehmenserfolg und wird nicht geneigt sein diesen für einen kurzfristigen Erfolg zu riskieren. Da die Earn-Out Ansprüche sich bei Erfüllung von Zielvorgaben nach einem zuvor festgelegten Zeitraum (i.d.R. 2 – 5 Geschäftsjahre) ergeben, hat der Verkäufer stattdessen im Gegensatz zum Käufer allerdings ein erhebliches Interesse am kurzfristigen Erfolg des verkauften Unternehmens.
Der aufgezeigt Problemkreis kann durch einige Maßnahmen entschärft werden. Zum einen ist die Auswahl der für den Earn-Out relevanten Zielgröße im Kaufvertrag von erheblicher Bedeutung dabei, welchen Einfluss der Käufer durch unternehmerische Maßnahmen tatsächlich tätigen kann.
Weiterhin können dem Käufer im Kaufvertrag Beschränkungen hinsichtlich der Unternehmensführung (auch: „Covenants“) auferlegt werden. Diese können zum Beispiel sein, dass das Unternehmen im normalen Geschäftsbetrieb zu führen ist oder bestimmte Maßnahmen zu unterlassen sind, wie zum Beispiel Gewährung von Boni oder überhöhter Gehälter an leitende Mitarbeiter. Weiterhin denkbar ist, dass die Veräußerung von Unternehmensteilen, der Erwerb von anderen Unternehmen, Einstellung / Aufnahme von Geschäftsbereichen oder die Durchführung von erheblichen Investitionen untersagt ist oder einem Genehmigungsvorbehalt untersteht.
Diese Aufzählung ist nicht abschließend. Es kommt auf den konkreten Einzelfall an, welche Covenants in den Unternehmenskaufvertrag aufgenommen werden. Bei der Aufnahme von Covenants muss auch deren Vereinbarkeit mit gesetzlichen Regelungen zur Wettbewerbsfreiheit genauestens geprüft werden, da solche Verbote und Genehmigungsvorbehalte zu einer Beschränkung des freien Wettbewerbs führen können.
Streit über das Erreichen von Zielvorgaben
Ein immer wieder auftauchender Streit zwischen dem Käufer und Verkäufer im Rahmen von Earn-Out-Klauseln ist, ob die Zielvorgabe erreicht wurde oder nicht. Dieser Konfliktpunkt sollte den Parteien natürlich schon bei den Verhandlungen über den Unternehmenskaufvertrag bewusst sein, wodurch im Rahmen der Earn-Out- Klauseln im Regelfall der folgend beschriebene Ablauf (so oder so ähnlich) vereinbart wird:
Der Verkäufer bekommt bis zu einem bestimmten Datum vom Käufer die Bilanz übermittelt. Daraufhin kann der Verkäufer bis zu einem bestimmten Datum Einwendungen erheben. Falls Einwendungen erhoben werden besteht die
Möglichkeit, dass sich die Parteien innerhalb einer Frist im Wege von Verhandlungen einigen. Sollte diese Einigung misslingen kann ein unabhängiger Wirtschaftsprüfer angerufen werden, welcher eine verbindliche Entscheidung vornimmt. Die Entscheidung des Wirtschaftsprüfers kann dann – oftmals gibt es eine Schiedsgerichtsklausel – von einem Schiedsgericht nochmals überprüft werden, allerdings nur auf grobe Fehler, die die Entscheidung des Wirtschaftsprüfers
offensichtlich unrichtig machen. Dieses System ist allerdings an mehreren Stellen anfällig für rechtliche
Auseinandersetzungen. Nachfolgend geben wir ein paar Beispiele dafür wieder:
„Richtige“ Bilanzierung?
Die Bilanzierung unterliegt bekanntlich einem nicht unerheblichen Bewertungsspielraum. Eine „richtige“ Bilanzierung in dem Sinne, dass es nur eine Möglichkeit der Bilanzierung gibt ist daher nicht möglich. Der Bewertungsspielraum im Rahmen der Bilanzierung wird zunächst durch den Käufer ausgeübt. Sollte der Verkäufer daraufhin mit der Bilanzierung des Käufers nicht einverstanden sein und keine Einigung zwischen Verkäufer und Käufer erzielt werden können, wird der Schiedsgutachter (in der Regel ein Wirtschaftsprüfer) eingeschaltet.
Dieser muss nun prüfen, ob die Ausübung des Bewertungsspielraums durch den Käufer angemessen war. Dabei hat der Wirtschaftsprüfer eigenen Vorstellungen hinsichtlich einer „korrekten“ Bilanzierung, die im Vorhinein für Käufer und Verkäufer nicht ersichtlich sind.
Daher kann ein Streit um die „richtige“ Bilanzierung zu einem, durch Käufer und Verkäufer, nicht vorhersehbaren Ergebnis führen. Dies kann zu erheblichen Unsicherheiten führen.
Diesem möglichen Streitpunkt kann nur dadurch (ansatzweise) begegnet werden, dass der Unternehmenskaufvertrag sowohl für den Käufer als auch den Wirtschaftsprüfer die anzuwendende Bilanzierungsmethode vorgibt. Damit kann
dieser Streitpunkt allerdings nicht ausgeschlossen werden, da natürlich auch innerhalb von Bilanzierungsmethoden erhebliche Entscheidungsspielräume bestehen. Eine weiterer Ansatzpunkt, um diesen Streitpunkt zu entschärfen ist, wenn im Unternehmenskaufvertrag verbindliche Vorgaben für einzelne Bilanzierungsfragen festgelegt werden.
Entscheidungskompetenz des Wirtschaftsprüfers (Schiedsgutachters)?
Ein Konflikt zwischen Käufer und Verkäufer kann auch bereits hinsichtlich des Umfangs der Entscheidungskompetenz des Schiedsgutachters entstehen. Zu diesem Streit kommt es wegen der engen Verflechtung von Bilanz- und Rechtsfragen.
Für die Entscheidung über Bilanzfragen ist im Rahmen der Earn-Out-Klauseln in der Regel der Schiedsgutachter zuständig. Dagegen sind Streitigkeiten über Rechtsfragen von (Schieds-)Gerichten zu entscheiden.
Als Beispiel dafür können gewinnmindernde Rückstellung für einen Gerichtsprozess herangezogen werden. Dies ist zunächst eine Bilanzierungsfrage. Aber diese Bilanzierungsfrage baut auf der Rechtsfrage auf, wie hoch das tatsächliche
Prozessrisiko ist. Aus dieser Rechtsfrage leitet sich dann wiederrum die Höhe der konkreten Bilanzierung ab.
Dieser Sachverhalt lädt erkennbar zum Streit darüber ein, ob es dem Schiedsgutachter erlaubt ist, die Höhe der Rückstellungen zu bewerten oder nicht.
Typischerweise werden die Parteien aus Praktikabilitäts- und Effizienzüberlegungen dem Schiedsgutachter ermöglichen wollen, dass dieser neben den originären Bilanzrechtsfragen auch über dazugehörige nachgelagerte Rechtsfragen entscheiden kann. Andernfalls könnte der Schiedsgutachter auch keine effektive Prüfung vornehmen.
Allerdings soll die Auslegung von Regelungen des Unternehmenskaufvertrags, die Vorgaben hinsichtlich einzelner Bilanzierungsfragen treffen, in der Regel durch das (Schieds-)Gericht durchgeführt werden. Der Schiedsgutachter soll nicht über seinen eigenen Prüfungsmaßstab entscheiden können. Wenn der Unternehmenskaufvertrag Vorgaben hinsichtlich der Bilanzierung trifft (Auslegungen die von außen auf die Bilanzierung einwirken) sind Streitigkeiten darüber gerichtlich zu entscheiden.
Die Zuständigkeitsverteilung zwischen Schiedsgutachter und (Schieds-)Gericht muss daher bereits durch den Unternehmenskaufvertrag im Rahmen der Earn-Out-Klausel möglichst genau geregelt sein, um diesen Streitpunkt zu entschärfen. Durch dieses Streitpotenzial im Rahmen der Zuständigkeiten kann es auch einen gangbaren Weg darstellen, wenn im Unternehmenskaufvertrag festgelegt wird, dass ein Schiedsgericht die Bestimmung des Earn-Outs vornimmt, falls es diesbezüglich zu Streitigkeiten kommt. Dies führt im Streitfall zu einer schnelleren verbindlichen Entscheidung bzgl. des Earn-Outs, als wenn die Parteien im Anschluss an die (oder während der) Tätigkeit des Schiedsgutachter (schieds-)gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen.
Streitigkeiten um die Gründe für nicht erreichte Zielvorgaben
Weiterhin ist es denkbar, dass die Zielvorgaben unstreitig nicht erfüllt werden und der Verkäufer daraufhin dem Käufer vorwirft, dass dieser die Nichterreichung der Zielvorgaben zu verantworten hat. Auch in dieser Konstellation besteht erhebliches Streitpotenzial.
Konkret ergibt sich das Streitpotenzial zum Beispiel aus den vorgenannten
Umständen:
- Verletzung einer Beschränkung (Covenants) aus dem Kaufvertrag durch den Käufer. Zur Sicherstellung des Earn-Out kann z.B. vereinbart sein, dass Umstrukturierungen des verkauften Unternehmens für einen bestimmten
Zeitraum zu unterlassen sind. - Vorwurf der „schlechten“ Unternehmensführung durch den Käufer verbunden mit Ausführungen, dass bei „korrekter“ Unternehmensführung die Earn-Out Zielvorgaben erreicht worden wären. Diese Argumentation wird dem
enttäuschten Verkäufer allerdings schwerlich zum Erfolg verhelfen. Es ist in den meisten Fällen wohl nicht möglich den entsprechenden Vortrag dergestalt zu substanziieren bzw. zu beweisen, dass von einer Pflichtverletzung auf Seiten des Käufers ausgegangen werden kann. Zumal es auch keine Pflicht des Käufers gibt, seine eher langfristig ausgerichteten Interessen hinsichtlich des Unternehmens gegenüber den kurzfristigen Interessen des Klägers unterzuordnen. - Selbiges Problem, der nur schwer möglichen Nachweisbarkeit durch den Verkäufer, besteht, wenn dieser geltend macht, dass der Käufer den Eintritt der Bedingung (Erfüllung der Zielvorgabe im Rahmen des Earn-Outs) treuwidrig vereitelt hat. Sollte dem Verkäufer dieser Nachweis im Einzelfall doch gelingen ist der Verkäufer nach § 162 BGB so zu stellen, als ob die Zielvorgabe erreicht worden wäre.
- Eine weitere Möglichkeit für den Verkäufer ist, auf eine vorvertragliche Aufklärungspflichtverletzung des Käufers abzustellen. Eine solche Aufklärungspflichtverletzung ist zum Beispiel denkbar, wenn der Käufer im Rahmen des Verkaufsprozesses keine Ausführungen dahingehend trifft, dass er sofort nach Übernahme des Unternehmens den Verkauf eines Unternehmensteil plant, allerdings trotzdem mit dem Kläger als Zielvorgabe einen bestimmten Jahresgewinn vereinbart, der aber ohne den verkauften Unternehmensteil nicht realistisch erreicht werden kann. In diesem Fall kann dem Verkäufer ein Anspruch auf Schadenersatz im Umfang des Earn-Out- Betrags zustehen.
Ergebnis
Earn-Out Klauseln sind ein Mittel, um im Rahmen eines Unternehmenskaufvertrags zu einem fairen Kaufpreis zu gelangen. Allerdings bergen diese Klauseln auch erhebliches rechtliches Konfliktpotenzial. Daher bedarf es sowohl bei der Erstellung eines Unternehmenskaufvertrags mit einer Earn-Out-Klausel sowie im Falle einer rechtlichen Auseinandersetzung über eine solche Klausel einer fachkundigen rechtlichen Beratung.
Zum Unternehmenskauf allgemein ist hier nachlesbar