Das Landgericht Stendal nahm zur Abberufung eines Versammlungsleiters einer Gesellschafterversammlung einer GmbH aus wichtigem Grund Stellung.

Gesellschafter A einer GmbH begehrte im Wege der einstweiligen Verfügung die Anordnung, dem alleinigen Geschäftsführer B, der gleichzeitig Gesellschafter B ist, zu untersagen, die Geschäfte der GmbH zu führen, insbesondere die Verfügungsklägerin im Rechtsverkehr gegenüber Dritten zu vertreten.

Dem beantragten vorläufigen Rechtsschutz ging eine Gesellschafterversammlung voraus, in der 2 Versammlungsleiter auftraten und jeweils gegensätzliche Beschlüsse feststellten und verkündeten.

Der Fall zur Abberufung eines Versammlungsleiters aus wichtigem Grund

Mit E-Mail vom 23. August 2021 lud der Geschäftsführer die Gesellschafter der GmbH zu einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung der Verfügungsklägerin am 1. September 2021 ein.

Unter TOP 1. der angekündigten Tagesordnung heißt es:

,,Wahl eines mit Beschlussfeststellungskompetenz ausgestatteten Versammlungsleiters.“

Unter TOP 12. der angekündigten Tagesordnung heißt es:

,,(Vorsorglich erneute) Abberufung des Herrn …B als Geschäftsführer der …GmbH aus wichtigen Grund.“

Unter TOP 14. der angekündigten Tagesordnung heißt es:

,,(Vorsorglich klarstellende) Bestellung des Herrn MP zum alleinigen Geschäftsführer der …GmbH.“

Unter TOP 16. der angekündigten Tagesordnung heißt es:

„Gerichtliche Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen der Gesellschaft gegen B gerichtet gegen dessen Auftreten als Geschäftsführer und Ermächtigung der GOG zur Vertretung der Gesellschaft nach § 46 Nr. 8 GmbHG.“

Nach § 6 Ziffer 3 S. 2 der Satzung der GmbH leitet der Gesellschafter mit der größten Beteiligung an der Gesellschaft die Versammlung.

Der Gesellschafter A verfügt über die größte Beteiligung an der GmbH in Höhe von ca. einem Drittel.

In der Gesellschafterversammlung ignorierte der Gesellschafter A als Versammlungsleiter den angekündigten TOP 1., nämlich die Wahl eines mit Beschlussfeststellungskompetenz ausgestatteten Versammlungsleiters. Er rief den TOP 1. nicht auf. Der Gesellschafter A stellte stattdessen die angekündigte Tagesordnung in seinem Interesse um und rief als erstes TOP 12 auf.

Gesellschafter B und C dagegen riefen TOP 1. auf. Zum Versammlungsleiter wurde einstimmig der Gesellschafter B mit den Stimmen von B und C gewählt. Der Gesellschafter A beachtete die Behandlung des TOP 1. nicht und gab folglich keine Stimme ab.

Gesellschafter A meinte, sein „festgestellter“ Beschluss über eine Abberufung des Gesellschafters B als Geschäftsführer sei vorläufig verbindlich. Dagegen sei der vom gewählten Versammlungsleiter, dem Gesellschafter B, festgestellte Beschluss über die Ablehnung der Abberufung seiner Geschäftsführerstellung wirkungslos.

Das Urteil zur Abberufung eines Versammlungsleiters aus wichtigem Grund

Das Landgericht Stendal stellte die Unzulässigkeit des Antrags der GmbH auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gemäß den §§ 935, 940 ZPO fest.

Antragsbefugnis

Zwar sei die GmbH antragsbefugt. Allerdings fehlte es an einem ordnungsgemäß durch einen nach § 46 Ziffer 8 GmbHG bestellten Vertreter. Denn der vom Gesellschafter A in TOP 16.  „festgestellte“ Beschluss, er sei Vertreter nach 46 Ziffer 8 GmbHG ist nicht vorläufig verbindlich.

Abberufung eines Versammlungsleiters

Außer Frage steht, dass auch ein statuarisch bestimmter Versammlungsleiter abberufen werden kann. Insbesondere kann ein Versammlungsleiter aus wichtigem Grund abberufen werden (vgl. LG Köln Urteil vom 6. Juli 2005 -82 0 150/04).

„Es entspricht dem Interesse der Gesellschaft, die Satzung, die eine Abberufung des Versammlungsleiters aus wichtigem Grund nicht vorsieht, dahin auszulegen, dass die Abberufung des satzungsmäßigen Versammlungsleiters aus wichtigem Grund durch einen Hauptversammlungsbeschluss möglich ist …“

Wichtiger Grund für die Abberufung eines Versammlungsleiters

Voraussetzung für die Abberufung eines Versammlungsleiters aus wichtigem Grund ist das objektive Vorliegen eines wichtigen Grundes, der jedenfalls im Zusammenhang mit der konkreten Versammlungsleitung stehen muss.

Dieser wichtige Grund lag in diesem Fall vor.

Ein Versammlungsleiter kann zwar Einfluss auf den Gang der Versammlung nehmen, insbesondere kann er auch die Reihenfolge der Tagesordnungspunkte bestimmen. Er kann aber nicht Beschlussgegenstände von der Tagesordnung absetzen (vgl. BGH Urteil vom 21.Juni 2010- II ZR 230/08).

Gesellschafter A setzte jedoch TOP 1. über die Bestimmung eines Versammlungsleiters mit Beschlussfeststellungskompetenz ab und überging „so das Mitsprache- und Mitwirkungsrecht der weiteren Gesellschafter, nämlich des Verfügungsbeklagten und dessen Bruders“ Insoweit liegt eine grobe Verletzung der Pflichten eines Versammlungsleiters vor.

Das Übergehen des Tagesordnungspunktes begründet einen wichtigen Grund für die Abberufung des Versammlungsleiters.

Tatsächliche Abberufung des Gesellschafter A als Versammlungsleiter

Gesellschafter A ist auch wirksam als Verhandlungsleiter abberufen worden. Er trat sodann als angemaßter Versammlungsleiter auf (vgl. BGH, Urteil vom 20.11.2018 – II ZR 12/17 Rn 58 bis 62).

Parallel zu der Durchführung der Versammlung durch den Gesellschafter A zu dem von ihm sogleich aufgerufenen Tagesordnungspunkt 12 hat sich der Gesellschafter B als Versammlungsleiter vorgeschlagen. Auf diesen Vorschlag ist kein weiterer Vorschlag erfolgt. Für die Wahl stimmten die Gesellschafter B und C, während der Gesellschafter A für diese keine Stimme abgab. Anschließend stellte der Gesellschafter B als Versammlungsleiter fest, dass Gesellschafter A als satzungsmäßiger Versammlungsleiter abgewählt und Gesellschafter B als Versammlungsleiter gewählt worden ist.

In der Durchführung der Wahl eines Versammlungsleiters mit Beschlussfeststellungskompetenz liegt dabei zugleich die Abberufung des statuarisch bestimmten Versammlungsleiters. Hierzu genügt bei der personalistisch geprägten GmbH die einfache Mehrheit. Andernfalls liefe das Abberufungsrecht der Gesellschafterversammlung aus wichtigem Grund leer.

Weitere allgemeine Anmerkungen zum Thema Abberufung des Versammlungsleiters und parallel verlaufende Gesellschafterversammlung

Weitere, allgemeine Ausführungen zum Streit, wer ist Versammlungsleiter finden Sie in Ziffer 2 unserer Abhandlung auf dieser Homepage.

Frank Löffler
Frank LöfflerRechtsanwalt
Frank Löffler ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Fachanwalt für Steuerrecht und der Kanzleiinhaber.